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Columbus

Titel: Columbus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waldtraut Lewin
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Herrscher und Herrscherin wirkt sich natürlich auch auf diesen Kreis aus. Intrigen, Eifersüchteleien, Prestigekämpfe sind an der Tagesordnung, zumindest bei der Gruppe, die das Gros des Hofes stellt: bei den Adligen. Hofdamen und Kavaliere wetteifern in kleinlichen Grabenkämpfen - so langweilt man sich wenigstens nicht.
    Zwei andere Gruppen sind die Geistlichkeit und - last but not least - die Verwaltungsbeamten: die Juristen, die Schreiber und Ökonomen und die Finanziers. Und hier nun entdecken wir, dass zu diesem Zeitpunkt der Anteil von Conversos, der zum Christentum übergetretenen Juden und deren Nachfahren, gerade unter den Letzteren erstaunlich hoch ist. Sie haben es, wie wir wissen, gelernt, mit Geld umzugehen. Reiche und mächtige Enkel und Urenkel von Juden sitzen also damals zunehmend an den Schlüsselpositionen dieses Hofes, wobei die strenggläubige Isabella sie eher unwillig duldet, aber nicht ohne sie auskommen kann - genauso wenig wie ihr in dieser Hinsicht toleranterer Gemahl.
    Und wenn man genau hinschaut, entdeckt man sogar unter den Prälaten und Bischöfen dieses Hofes Nachkommen von getauften Juden, von »Marranen«. Dass die Leibärzte der Majestäten Juden waren, versteht sich im Mittelalter nahezu von selbst. Während bekanntlich die christliche Medizin noch in den Kinderschuhen des Aberglaubens steckte, war ihr die arabisch-jüdische Heilkunde um Lichtjahre voraus - bereits um das Jahr 1000 hatte der große arabische Arzt Avicenna bahnbrechende medizinische Erkenntnisse gesammelt, die an den jüdischen Gelehrten nicht vorbeigegangen waren.
    Columbus kann also durchaus auf ein ähnliches Klima gestoßen sein, wie er es in Lissabon in der Gesellschaft der Kartografen und Astronomen vorfand; das geheime »Sich-Erkennen«, jenes »Baruch Haschem« zu Beginn eines Briefes - das wird es auch hier gegeben haben.
    Ansonsten ist er ein Fremdkörper in der Adelsgesellschaft, in der er sich nun bewegen muss. Man kann sich vorstellen, dass die feinen Herrschaften zunächst einmal irritiert sind. Was ist das nur für ein Mann, der sich so ungeniert in »höheren Rängen und Kreisen« bewegt? Der über keinerlei Titel verfügt und trotzdem kein bisschen unterwürfig tut? Der so freimütig seine - sehr eigenwillige - Meinung äußert, der so faszinierend von Dingen erzählen kann, von denen man überhaupt noch nie gehört hat und die er für selbstverständlich hält?! Was, die Erde ist wirklich eine Kugel? Ja, wieso fallen wir da nicht herunter? Wie bitte, an der Küste von Bristol in England beträgt der Unterschied zwischen Ebbe und Flut zwanzig Meter und das hat er angeblich selbst gesehen? Und dann hat er auch noch die Stirn zu behaupten, man kann nach Westen segeln und kommt nach einer Reiselänge von 750 Leguas bei den Indern an? Und da sind sogar die Dächer mit Gold gedeckt? Ja, wenn die Majestäten sich mit solchem Unfug anfreunden können, dann wird es ja, mit Verlaub gesprochen, gar nicht so ein Unfug sein...
    Er muss ein bisschen wie der Hecht im Karpfenteich gewirkt haben, der seltsame Mann mit den weißen Haaren und den jungen Augen - eine erfrischende Abwechslung im öden höfischen Einerlei. Und für die Frauen, die Hofdamen um Isabella, sicher eine aufregende Erscheinung. Ein Fremder, ein Ausländer! -
    Â 
    Â»Bis ins nördliche Eismeer?«, wiederholt eine junge Edeldame ungläubig.
    Sie sitzen im Schatten der maurischen Säulen der Mezquita, die bekanntlich von der Moschee zur königlichen Residenz umgewandelt ist, und in der Mitte des mit Grünpflanzen geschmückten Innenhofs sprudelt melodisch ein Springbrunnen. So sollen sich die Moslems das Paradies vorstellen, weiß er: grün und voll lebendigen Wassers. Aber jetzt erzählt er vom Eismeer.
    Die Damen des Hofs sitzen um ihn herum wie die Täubchen um den Täuberich, bewegen ihre großen Fächer und hängen an seinen Lippen. Unglaublich, was dieser Mann zu berichten weiß!
    Â»Bis nach Island, ja, Doña Juana! Hinter Kap Finisterre, das ist die nördlichste Spitze von Portugal, beginnt das Grauen für uns Seeleute«, sagt er gerade. »Fast zweihundert Leguas übers offene Meer, ohne Landmarken, ohne Schutz vor Stürmen. Wir liefen vor dem Wind bis Southampton und Bristol - das sind Städte in England, meine Damen! - und fassten dort Wasser und Proviant. Und dann

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