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Columbus

Titel: Columbus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waldtraut Lewin
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ging’s hinaus in die unermessliche See, Kurs Westnordwest.«
    Kleine Ausrufe des Schreckens aus dem Mund der entzückten Frauenzimmer begleiten seine Erzählung. Selten hat man sich so gut unterhalten gefühlt. Columbus lehnt sich zurück und genießt die Wirkung seiner Worte.
    Â»Heulende Weststürme«, fährt er fort. »Die Wogen, die über die Reling stürzten, waren so kalt wie schmelzendes Eis. Die Decks eine einzige Rutschbahn, die Taue steif gefroren. Statt Regen kamen Eisstücke vom Himmel, verehrte Damen!«
    Â»Gütiger Gott!« Die Fächer werden noch heftiger bewegt.
    Â»Tagelang kein Land in Sicht, obwohl wir nach meinen Berechnungen längst die Küste erreicht haben mussten. Aber alles war in Nebel und Dunkelheit versunken.«
    Â»Aber was hattet Ihr dort zu tun - in dieser Hölle?«, fragt schüchtern eine junge Person mit hübschem Spitzenkragen. Columbus lächelt sie an. »Forschergeist und Wagemut treiben den Mann dazu, das Unmögliche zu leisten!«, deklamiert er. Dann setzt er nüchtern hinzu: »Außerdem wollten wir Wein gegen Dörrfisch eintauschen. Als es Frühling wurde, segelten wir bei gutem Wind bis an die Nordspitze der Insel. Das Meer war eisfrei, ein warmer Frühsommer.« Seine grauen Augen verschleiern sich, als würde er in eine andere Welt abtauchen. Er scheint seine Zuhörerinnen gar nicht mehr wahrzunehmen. »Geschaukelt von gewaltigen Wellen, fuhren wir dahin, und vor uns tauchten plötzlich die hoch aufragenden Gipfel einer Insel auf. Ich könnte sie zeichnen - der Form nach ein riesiger Schmetterling. War das schon der eisige Pol des Nordens? Ich hätte in diesen Tagen bis zu ihm vordringen können...«
    Er verstummt, sieht blicklos vor sich hin. Die Hofdamen wagen kaum zu atmen.
    Und dann ertönt hinter seinem Rücken eine spöttische Frauenstimme: »Ich glaube, dergleichen nennt man Seemannsgarn.«
    Columbus fährt herum, die Zornesröte schießt ihm ins Gesicht.
    Unbemerkt hat sich eine Dame in Reitkleid und federgeschmücktem Barett genähert, die Gerte in der behandschuhten Hand. Die Sonne steht in ihrem Rücken, sodass Columbus ihr Gesicht nicht sehen kann. Ihr Auftauchen wirkt auf die anderen Frauen wie das eines Sperbers im Hühnerhof. Aufgescheucht erheben sie sich, knicksen tief. Stecken die Köpfe zusammen und tuscheln. Einige entfernen sich schnell.
    Â»Ihr bezweifelt meine Worte?« Er ist aufgestanden.
    Die Frau lacht. Ihre Stimme ist tief und melodisch, weich wie Samt. »Señor! Verzeiht - ich kenne Euch noch nicht -, aber ich nehme an, Ihr seid derjenige, der den Osten suchen will, indem er nach Westen fährt? Nun, für so ein Vorhaben braucht man schon Fantasie - und die habt Ihr eben demonstriert. Bravo!« Sie schlägt leicht ihre Hände gegeneinander.
    Columbus’ Augen verdunkeln sich vor Zorn. »Alles, was ich da eben berichtete, habe ich erlebt!«
    Sie nickt. »Ja, und Ihr habt es sehr eindrucksvoll beschrieben.« Der Spott ist immer noch nicht aus ihrer Stimme gewichen. Die jungen Hofdamen haben sich inzwischen samt und sonders mit ein paar gemurmelten Entschuldigungen verzogen, lassen die beiden bei ihrem Wortgefecht allein. Sie scheinen zu wissen, dass man sich mit dieser Person besser nicht anlegt...
    Aber dazu kommt es nicht. Denn die Frau im Reitkleid hat jetzt eine Bewegung zur Seite gemacht und nun ist ihr Gesicht im Hellen. Ein blassgoldenes Oval dieses Gesicht, die ungeschminkten Lippen heller als die Haut drum herum. Augen, die zwischen grün und braun schillern wie die Haut einer Eidechse. Eine sanfte Stirn, gewölbt wie die eines Kindes, hohe Brauenbögen. Die Haarsträhne, die unter dem Barett hervorkommt und sich um ihren Hals ringelt, schimmert in der Sonne, tiefschwarz mit einer Verheißung von glimmendem Rot darin. Die schönste Frau der Welt, denkt der Seefahrer und verneigt sich tief.
    Â»Hat es Euch die Sprache verschlagen, wortgewaltiger Mann?«, fragt sie geradezu.
    Â»Ja, Euer Gnaden. Denn mit Euch zu streiten, hieße, gegen einen Erzengel anzukämpfen.«
    Â»Also, es hat Euch nicht die Sprache verschlagen!«, stellt sie amüsiert fest. »Sehr schön. Ihr seid also der Herr Colón, nicht wahr? Und ich - nun, man nennt mich La Cazadora. Die Jägerin.«
    Und obwohl er weiß - gehört hat -, dass diese Frau die Geliebte des Königs ist, kann er seine

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