Columbus
Augen nicht von ihr abwenden. Christoph Columbus ist ihr unrettbar verfallen.
Rätsel um eine Frau
Auf La Gomera, der kanarischen Insel, hängt im Patio des Hotels Parador Nacional das Bild einer wunderschönen Frau. Ein sanft ovales Gesicht, eine Haut wie Milch und Honig, grüne Augen unter schön geschwungenen Brauen. Es soll das Porträt jener Frau sein, die Columbus leidenschaftlich liebte: Beatriz de Bobadilla, genannt La Cazadora, die Jägerin, damals Gouverneurin dieser Insel. Leider, das Bild hat einen kleinen Schönheitsfehler. Die Dame trägt eine hohe Halskrause, wie sie erst hundert Jahre später in Mode gekommen ist. Mit einem Wort, es ist kein echtes Konterfei, sondern, wie man so schön sagt, »später aus dem Gedächtnis nachempfunden«. Sei dem, wie es sei: Die faszinierende Person auf diesem Gemälde wird für mich immer das Vorbild für die wirkliche Frau sein. -
Dass es von ihr genauso wenig ein »lebensechtes« Porträt gibt wie von Columbus, ist schon eine erstaunliche Sache. So seltsam es klingt: Der groÃe Entdecker ist zu Lebzeiten niemals gemalt worden. Die unzähligen Columbus-Bilder, die da und dort in den Galerien hängen, entbehren jeder realen Grundlage. Wir wissen von seiner stattlichen Gestalt, seinem früh ergrauten Haar, seinen verschatteten hellen Augen, die manchmal verschleiert in die Ferne seiner Träume zu schauen scheinen - aber das ist schon alles. Nehmen wir also unsere Einbildungskraft zu Hilfe und erschaffen uns unseren Helden und unsere Heldin, wie wir sie gern hätten.
Dass Beatriz eine der schönsten Frauen ihrer Zeit war, das bestätigen die Quellen immer wieder. Und dass sie eine Unruhestifterin war, auÃerdem.
Was für eine Person kommt da also auf uns zu? Wieder einmal fordern uns die Quellen zum Rätselraten auf. Wieder sind Geheimnisse zu entschlüsseln.
Wir erfahren zunächst von einer Beatriz de Bobadilla, die die Tochter eines Kastellans, eines Schlossherren also, ist, auf dessen Burg die junge Isabella von Kastilien aufwuchs. Die Gattin dieses Mannes ist die Amme der Prinzessin, also sind die Mädchen beinah wie Schwestern. Ein seltsames Gespann: die eine unscheinbar bis hässlich, die andere die Anmut in Person, aber sie müssen sich gut verstanden haben. Beide genieÃen sie miteinander eine für Mädchen ungewöhnlich profunde Bildung, können Lateinisch lesen und schreiben, kennen die antiken Klassiker, sind eingeweiht in die Welt der Astronomie, Mathematik und Kosmografie. Beatriz bleibt in der Nähe Isabellas, wird später zur Hofdame und Vertrauten der Königin.
Man erfährt, dass diese Beatriz mit einem Höfling des Königs namens Andres de Cabrera verheiratet wird, einem Mann, der sich in den vielen Streitigkeiten, die ein Teil des Adels von Aragon mit dem Monarchen ausficht, loyal und treu verhält. Deshalb wird er zum Marques - also zum Grafen - de Moya ernannt. Von seiner Frau heiÃt es, dass sie die Nummer eins am Hof ist. »Despues la reina de Castilla - la Bobadilla«, reimt man. »Nach der Königin von Kastilien - die Bobadilla.« Und ein anderer Chronist nennt sie sogar »die eleganteste Dame in der ganzen Christenheit«. Sie kleidet sich reich und mit Geschmack und hält sich, ungeachtet der Tugendstrenge ihrer königlichen Herrin, hin und wieder einen Liebhaber, und darüber sieht Isabella bei ihr groÃzügig hinweg.
Diese Bobadilla wird zu einer groÃen Fürsprecherin des Columbus und ist ihm wohlgesonnen.
So weit passt das alles zusammen. Aber: Die Bobadilla, von der bisher die Rede war, ist mit ziemlicher Sicherheit im Jahre 1440 geboren. Das heiÃt, sie wäre zum Zeitpunkt der ersten Begegnung mit Columbus eine reife Frau von über vierzig Jahren.
Kann sie die gleiche sein, der man ein Verhältnis zu dem jungen König nachsagt, die gleiche, die wenig später (ist der Marques de Moya, ihr Mann, inzwischen gestorben?) auf die Kanarischen Inseln verheiratet wird, die gleiche, die sich, wie wir später sehen werden, vor einer unerbittlichen Königin in Prozessen verteidigen muss - sie, die »Beinaheschwester« und beste Freundin der Majestät?
Die Historiker gehen ziemlich unbekümmert mit der Person der Beatriz um. Sie machen sich häufig nicht die Mühe, Ungereimtheiten aufzuklären, stellen diese Frau in bestimmte Situationen, als sei sie eine Papierfigur, die man
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