Columbus
Seeleute waren.)
Die Schiffe damals hatten keine Mannschaftskojen oder Hängematten. Die »Toldilla«, die Hütte des Kapitäns auf dem Achterdeck, beherbergt das einzige Bett. Die Männer müssen sich, mit ihren Bündeln oder Taurollen als Kopfkissen, einen Schlafplatz an Deck suchen, und da das gewölbt ist »wie der Rücken eines Esels«, sind die guten Plätze, nämlich die in der Mitte über der Luke ins Schiffsinnere, rasch von den alten Seebären mit Beschlag belegt. Der Rest muss sehen, wo er bleibt, und rollt während der Nacht wahrscheinlich mehrfach gegen den Dollbord.
Am Morgen des nächsten Tages dann erscheint Columbus auf der Popa, dem Achterdeck der »Santa Maria«. Er trägt einen leuchtend roten Samtmantel, eine Goldkette, mehrfach um den Hals gewunden, und sein weiÃes Haar quillt unter einem mit Medaillen verzierten Barett hervor. Zwischen den Fingern seiner behandschuhten Hände gleiten unablässig die Perlen eines Rosenkranzes hindurch. Das ist seine Stunde, sein groÃer Auftritt, der Beginn davon, dass sein Gedanke zur Tat wird.
Stolz und Hoffnung beflügeln ihn. Seine Stimme, mit der er nun das Kommando gibt, ist leise, aber auf allen drei Schiffen zu hören: »Im Namen Gottes, setzt Segel!«
Die Schiffsführer geben ihre Befehle. Die Männer drehen mühsam die Spille und holen die schweren Anker aus dem Uferschlick ein, und die Taurollen in den Blöcken kreischen wie Seevögel, als gleichzeitig die riesigen bleichen Leinwandmassen der Segel hochsteigen und das Banner der Expedition, ein weiÃes Seidentuch mit einem grünen Kreuz, daneben die Initialen der Majestäten, am Mast gehisst wird.
Aber die Segel hängen schlaff und das Banner entfaltet sich nicht. Windstille. Müde treiben die Schiffe mit der auslaufenden Ebbe an den Sandbänken vorbei, und man muss die Langruder zu Hilfe nehmen, um vorwärts zu kommen.
Für die Männer ist das kein gutes Omen. Sie nennen diese windstillen Momente den »Tag der Möwe«. Bei einer solchen Flaute können die Möwen am Ufer aus den Büscheln der Algen ihre Nester bauen.
Columbus allerdings ist gefeit gegen Vorzeichen und Omen aller Art. Viel zu sehr ist er davon überzeugt, dass er seine Mission erfüllen wird. Ich denke mir, in diesem Augenblick ist Cristobal Colón ein glücklicher Mann.
Die erste Etappe
Sie haben guten Wind und bewältigen die ersten fünfzig Leguas in Richtung der vor ihnen liegenden Kanaren an einem Tag. Alles verläuft wie im Lehrbuch; die Mannschaft rauft sich zusammen, langsam wird aus dem wild zusammengewürfelten Haufen von Altgedienten und Landratten eine Crew. (Einige »Matrosen« stellen sich allerdings besonders ungeschickt an - es sind diejenigen, die bestimmt nie zuvor die Planken eines Schiffs betreten haben und es auch später nie wieder tun werden. Sie gehen in La Gomera von Bord...)
Nachdem die Mannschaft sich die Seele aus dem Leib gekotzt und die Hände am Tauwerk blutig geschunden hat, nachdem die Neulinge den ersten Schrecken vor den sich gewaltig am Bug aufbäumenden Wellen überwunden haben, nachdem das Schiff mit knarrenden Spieren und ächzenden Wanten, mit dem Knattern und Jaulen der Segel und dem Klatschen des losen Tauwerks sein »Lied« zu singen beginnt, muss sich der groÃe Seefahrer ganz und gar in seinem Element gefühlt haben.
Das war es, worauf er gewartet hatte: Endlich sein Wissen und seine Erfahrung, seine nautischen Kenntnisse und seine flexible und einfallsreiche Art der Schiffsführung in den Dienst seiner Idee zu stellen: Auf nach Westen, um den Osten zu suchen - ja, oder wen oder was sonst? Kathay, die jüdischen Königreiche, die »fremden Inseln« - ich glaube, nichts davon schlieÃt er aus. Hauptsache, vorwärts.
Dann, am vierten Tag, passiertâs. Das Steuerruder der »Pinta« bricht, das heiÃt, zwei der so genannten Fingerlinge, der Metallbolzen, die das Ruder fixieren, haben der Belastung nicht standgehalten.
Der ewig wachsame und infolgedessen misstrauische Generalkapitän hat sofort den Verdacht auf Sabotage - irgendjemand will sie zur Umkehr zwingen! Die Matrosen der »Pinta« lassen sich auÃenbords zum Ruder herunter und flicken, so gut es geht, nach Anleitung von Kapitän Pinzón den Schaden.
In seinem Logbuch vermerkt Columbus, Pinzón sei ein »zuverlässiger und kompetenter Seemann«.
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