Columbus
Es ist das einzige Kompliment, das er jemals seinem Stellvertreter zollen wird...
Aber es erweist sich, dass die Ausbesserungsarbeiten nur sehr kurz Früchte tragen; bei rauer See ist die »Pinta« bald nicht mehr manövrierfähig. AuÃerdem hat sie ein Leck - damals kein gröÃeres Drama; die Schiffe leckten alle naselang, man musste eben lenzen (Wasser schöpfen), kalfatern (mit Teer zuschmieren) und auf Gott vertrauen.
Aber für Columbus ist nun klar - es ist Sabotage, und sie kann nur von Kapitän Pinzón ausgehen. Kein anderer traut sich so etwas.
Aber nun tut Columbus etwas, was allen seemännischen Regeln widerspricht und den Boden für die künftige Feindschaft zwischen ihm und Pinzón bereitet: Er lässt die »Pinta« zurück, mit der Order, sich auf eigene Faust und aus eigener Kraft in den Hafen von Gran Canaria zu manövrieren, und segelt mit der »Santa Maria« und der »Niña« davon. Das ist ein grober Verstoà gegen den Ehrenkodex der Seefahrt. Wenn man im Verbund segelt, darf man niemals einen Havaristen seinem Schicksal überlassen!
Die fadenscheinige Ausrede, er wolle sich auf La Gomera nach einem anderen Schiff umsehen, kann nur das Kopfschütteln der Männer hervorgerufen haben. Das ist so, als würde heutzutage jemand ein neues Auto kaufen, weil er eine Reifenpanne hat. Da er die ganze Angelegenheit auch noch anordnet, ohne sie mit den anderen Kapitänen besprochen zu haben, wird er auf gröÃtes Unverständnis gestoÃen sein.
Man kann sich vorstellen, dass eine so schroff gegen die Regeln verstoÃende Vorgehensweise die Schiffsbesatzungen sehr irritiert hat. Das zarte Pflänzchen Vertrauen, das da vielleicht gerade zu keimen begann, zerstört er durch seine selbstherrliche Art; auf einmal ist er wieder »Don Fantastico«, der Mann, dessen Taten und Gedanken keiner verstehen kann.
Bei all seiner geschmeidigen Fähigkeit, den richtigen Ton zu finden gegenüber Gönnern und Geldgebern, bei der klugen und wendigen Taktik, die er gegenüber Kirche und weltlichen Herrschern »drauf«hat - seinen Männern gegenüber ist er der Despot, der segelt, wohin er will, wann er will und auf welche Weise er will. Das schafft keine Freunde und ist nicht sehr vorausschauend, denn Verbündete hätte er zumindest unter den Offizieren gebraucht.
Warum in aller Welt also fährt er der »Pinta« davon, als säÃe ihm der Teufel im Nacken, und stürzt gleichsam mit geblähten Segeln auf La Gomera zu? Er muss doch wissen, dass Beatriz noch gar nicht zurück sein kann! Will diesmal er derjenige sein, zu dem sie kommt - selbst auf ihrem eigenen Territorium? Oder denkt er, die dahindümpelnde »Pinta« würde ihn, wenn er bei ihr bleibt, die Heimkehr der Gobernadora, der Gouverneurin, verpassen lassen? (Womit er so Unrecht gar nicht einmal hätte; die unglückselige Karavelle braucht geschlagene sechzehn Tage, um durch Manöver, wie sie nur ein gewiefter Seemann wie Pinzón durchzuführen in der Lage ist, tatsächlich noch in den kleinen Hafen von Gran Canaria zu gelangen.) Wie auch immer - als die beiden vorauseilenden Schiffe auf La Gomera anlanden, ist, wie nicht anders zu erwarten, von La Cazadora nichts zu sehen weit und breit.
Haben wir uns einen Columbus vorzustellen, der, statt hoffnungsvoll nach Westen auszuschauen, von Leidenschaft verzehrt gen Osten blickt, ob der Schnellsegler der Gouverneurin nicht auftaucht am Horizont? Ich weià es nicht.
Immerhin harrt er vierzehn Tage auf der Insel aus.
Wer heute der kleinen gomerischen Hauptstadt San Sebastian einen Besuch abstattet, findet an der HauptstraÃe die »Casa Colón«, das Haus, in dem Columbus damals Quartier bezogen haben soll; es ist ein gewöhnliches Wohnhaus mit schönem schattigen Innenhof, von dem eine hölzerne AuÃentreppe in den zweiten Stock hinaufführt. Das Haus steht unweit der Iglesia de la Asuncion, dem unheiligen Ort des Massakers an den Guanchen, aber diese Kirche ist nicht mehr die gleiche wie damals, sie fiel einem Brand zum Opfer. Auch den Hafen müssen wir uns anders vorstellen. Eigentlich hatte La Gomera, die vulkanische Insel, gar keinen natürlichen Hafen, jedenfalls nichts, was von gröÃeren Schiffen nutzbar war. Nur Fischerboote und Leichter konnten direkt an dem schwarzen Sandstrand festmachen, hochseetüchtige Schiffe mussten drauÃen vor Anker
Weitere Kostenlose Bücher