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Columbus

Titel: Columbus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waldtraut Lewin
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herum, mit verkleinerter Segelfläche, damit die höhere Takelage nicht in die Sicht der Portugiesen kommt - dann endlich, am 9. September, geraten die Berggipfel der kanarischen Inseln außer Sicht. Vor den Seeleuten erstreckt sich Wasser und nichts als Wasser. Zum ersten Mal haben die Männer vor Augen, auf was sie sich eingelassen haben. Das Bordbuch vermerkt: »Haben heute endgültig die Sicht auf das Land verloren, und die Leute klagten und weinten, dass sie es für lange Zeit nicht wiedersehen würden. Ich beruhigte sie, indem ich ihnen Ländereien und andere Reichtümer versprach.«
    Man ist also den lauernden Portugiesen entkommen (fürs Erste) und von nun an notiert das Bordbuch mit steter Gleichförmigkeit Tag für Tag: »... sie segelten auf ihrem Kurs nach Westen.« Die Historiker haben das über lange Zeit für bare Münze gehalten. Aber genau hier liegt der Hase im Pfeffer. In Wirklichkeit segeln die Karavellen nämlich nicht auf Westkurs, sondern Richtung Südsüdwest, tief hinein in portugiesisches Hoheitsgewässer - entsprechend der Reiseroute, die Columbus von seinem Informanten auf Porto Santo erhalten hatte.
    Das ist die erste Täuschung.
    Die zweite besteht darin, dass er nicht nur die Richtung, sondern auch die Länge der Streckenabschnitte manipuliert hat. Im offiziellen Logbuch des Schiffs sind weitaus geringere Strecken angegeben als im geheimen zweiten Diario, angeblich, »damit die Leute, wenn die Reise lang werden sollte, nicht verschreckt und entmutigt würden«.
    Aber darum ging es nicht.
    Die Begründung für diesen Trick ist von den Geschichtsschreibern ebenfalls lange für wahr angenommen worden. Aber es war niemals üblich, dass die einfachen Seeleute Einblick in das Logbuch des Schiffes nahmen - außerdem hätte es ihnen ohnehin nichts gebracht, denn sie waren wahrscheinlich alle Analphabeten, und das Hantieren der Kapitäne und Navigatoren mit Quadranten, Kompass, Karte und Stechzirkel muss ihnen fast wie Magie vorgekommen sein.
    Wir wissen inzwischen, es gibt die anderen Angaben - die richtigen - in seinem geheimen Logbuch, und dies Buch trägt der Generalkapitän ständig bei sich. Warum? - Um sie, falls sie wirklich in die Hände der Portugiesen fallen, schnell zu vernichten. Denn schließlich befindet sich die Expedition - was nur er und seine engsten Vertrauten wissen - tief in portugiesischen Gewässern, und eine Gefangennahme der Besatzung wäre die mögliche Folge gewesen. Wahrscheinlich hätte man die Seefahrer samt und sonders aufgeknüpft.
    Am 16. September schließlich, nach zehn Tagen banger Ungewissheit, führt er den ersten Schwenk auf tatsächlichen Westkurs durch. Die Gefahr eines portugiesischen Angriffs ist gebannt. Columbus hat seine eigentliche Reiseroute erreicht.
    Wie eben schon erwähnt, die Kapitäne und Navigatoren der drei Schiffe müssen eingeweiht gewesen sein in diesen »Schummel«, sie haben die Bordbuch-Fälschung mitgetragen; anders kann es bei Seefahrern mit dieser Erfahrung nicht sein. Dass ihre eigenen Berechnungen fast immer um fünf Leguas über denen des Generalkapitäns lagen, entsprach den Gepflogenheiten der Seefahrt - man ist vorsichtig und gibt lieber zu viel als zu wenig an.
    Natürlich fragt man sich, wieso die Portugiesen in einer Region, die geografisch weit vom Heimatland entfernt war, Hoheitsansprüche zu Wasser anmelden konnten. Das hing mit der so genannten raya zusammen, einer Art Demarkationslinie, die elf Jahre zuvor von einem der Päpste sozusagen »ins Blaue hinein« festgelegt worden war, damit sich die rivalisierenden Mächte Spanien und Portugal nicht ständig in die Quere kamen bei ihren Entdeckungsfahrten. Man muss sich diese raya wie einen Breitengrad auf der nördlichen Halbkugel vorstellen. Die Seefahrer nahmen diese »Grenze« sehr ernst - es ging schließlich darum, wer zuerst neue Länder, neue Ressourcen fand.
    Da der vom Steuermann Pedro an Columbus übermittelte Kurs aber tief durch portugiesisches Gewässer führte, musste er das Wagnis eingehen. Daher die zwei Bordbücher.
    Die detektivische Rekonstruktion seiner wahren Reiseroute haben Gelehrte und Seefahrer erst im letzten Jahrzehnt des vorigen Jahrhunderts zustande gebracht.

Es wird kritisch
    Am 17. September erreicht die Flotte das Sargassomeer. »Büschel von Gras« treiben, so Bordbuch, im Wasser. Die

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