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Columbus

Titel: Columbus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waldtraut Lewin
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mit Meuterern umgeht. Es tritt Ruhe ein. Ob Columbus begeistert war von diesem Eingriff in seine Autorität, darf man bezweifeln.
    Jedenfalls besprechen sich Generalkapitän und Stellvertreter. Auch Pinzón schließt sich nun der Meinung an, die Offiziere hätten die Fahrtgeschwindigkeit überschätzt. Dass sie sich in der richtigen Gegend befänden, daran hat er jetzt keinen Zweifel.
    Aber die nächsten Tage werden dramatisch.

Wo bleibt das Land?
    Am gleichen Dienstag, dem 25. September, steht Martín Alonso Pinzón, der wie immer vorausgesegelt ist, auf der Popa, dem Achterdeck seines Schiffs, und späht mit zusammengekniffenen Augen in den Sonnenuntergang. Und dann - nein, das ist keine Wolke, keine Luftspiegelung! Eindeutig ist an der Horizontlinie eine Insel auszumachen.
    Â»Tierra a la vista!« Land in Sicht!, brüllt er. Seine Matrosen entern die Takelage und starren, die Augen mit der Hand abschirmend, in den Sonnenuntergang. Es besteht kein Zweifel. Da ist eine Insel.
    Â»Land! Land in Sicht!« Der Ruf pflanzt sich fort von Schiff zu Schiff, lockt den Generalkapitän von seinen Berechnungen in der Toldilla und mit großen Schritten eilt er zu seinem Ausguck. Ja, es ist wahr.
    Land in Sicht. Nach zwanzig Tagen hat er sie gefunden, seine Inseln, so wie es sein Wissen und seine Vision gewesen sind. Und er selbst hat niemals daran gezweifelt. Keine Sekunde.
    Trunken vor Ergriffenheit, berauscht von Glück, sinkt er auf der Popa in die Knie, um Gott zu danken.
    Ob er in diesem einmaligen Augenblick daran gedacht hat, wie er, mit dem Lorbeer des Siegers gekrönt, heimkommt, und wie ihn die Gouverneurin empfangen wird?
    Lauthals stimmt man auf der »Pinta« das »Gloria in excelsis Deo« (Ehre sei Gott in der Höhe) an. Dann fordert Martín Alonso Pinzón, ihn als den Mann anzuerkennen, dem die königliche Belohnung zusteht. Er hat das Land zuerst gesehen.
    Auch auf der »Niña« hängt die halbe Crew in den Wanten und bestaunt die Insel vor ihnen.
    Columbus befiehlt, die Segel zu reffen und beizudrehen. Wie von einem Albtraum befreit, liegen sich die vorher verfeindeten Offiziere in den Armen, zollen dem Mann Respekt, der sie hierher gebracht hat. Seine Autorität wird nun von niemandem mehr angezweifelt.
    Die Matrosen springen in die ruhige See, Delfine kommen neugierig herbei. Für jeden Mann wird eine Extraration Wein ausgeteilt, der Koch haut das letzte Pökelfleisch in den Kessel. Bald werden sie ja Frischfleisch haben. -
    Am nächsten Morgen ist da keine Insel mehr.
    Sosehr auch alle Augen den Horizont absuchen - die Insel ist verschwunden.
    Grenzenlose Enttäuschung macht sich breit nach der Hochstimmung des Abends zuvor.
    Was war geschehen? Waren die achtzig Mann Besatzung einschließlich ihres Generalkapitäns einer kollektiven Sinnestäuschung zum Opfer gefallen?
    Nein, ganz gewiss nicht. Wir wissen heute, dass Martín Pinzón mit Sicherheit eine der Jungferninseln gesichtet hat, eine kleine Inselgruppe am nordöstlichen Rand des karibischen Inselbogens.
    In dieser Gegend des Weltmeers fließen starke Strömungen mit hoher Geschwindigkeit nach Norden oder Nordwesten, was Columbus nicht wissen konnte; denn mit dem Senklot kann man diese Tiefenströmungen nicht messen. So werden die drei Schiffe unbemerkt 40 bis 50 Seemeilen abgetrieben worden sein.
    Die Insel war verloren.
    Im Bordbuch tut der trickreiche Entdecker dies Ereignis dann wirklich als eine Täuschung ab, »nichts als ein Stück Himmel«. Und das kommt ihm nur recht, denn ungern hätte er den Ruhm der Landkennung ausgerechnet seinem Rivalen Pinzón überlassen - von der Leibrente einmal ganz zu schweigen.
    In Wirklichkeit weiß er sehr genau, was er da gesehen hat. Er ist am Ziel, das Festland nicht mehr weit. Zeugnis davon ist ein Brief, den Columbus 1493 schreibt und der überall in Europa verbreitet wird. Darin heißt es lapidar: »Nach zwanzig Tagen fand ich die indischen Inseln.« Am 6. September war man von La Gomera aufgebrochen...
    Â 
    Was nun folgt, ist der nackte Horror.
    An diesem entsetzlichen Morgen, als das Land plötzlich wieder verschwunden ist, gibt Columbus schließlich Befehl, die Segel zu setzen - aber er bricht nicht nach Südwesten auf, um die Insel wiederzufinden, sondern lässt Westkurs nehmen. Fürchtet er die gefährlichen Riffe dieses Abschnitts - falls sie denn auf seiner geheimnisvollen

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