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Columbus

Titel: Columbus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waldtraut Lewin
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Schiffsvolk und wir Kapitäne und Offiziere sind bereit, Euch diese drei Tage zuzugestehen. Drei Tage und keine Stunde länger! Das ist Eure letzte Chance.«
    Â»Gut denn.« Columbus mustert sie mit der sattsam bekannten hochmütigen Miene, die Augen halb geschlossen. »Nachdem wir denn den halben Tag mit Streitereien vertan haben, lasst uns in Gottes Namen die Fahrt wieder aufnehmen.«
    Â 
    Natürlich ist seine Kaltblütigkeit nur vorgetäuscht. Innerlich muss er gezittert und gebebt haben. Sein Lebenswerk droht zu scheitern, und er hegt keinen Zweifel daran, dass ihn seine erbitterten Mitreisenden über Bord werfen werden, wenn die Dreitagesfrist erfolglos verstreicht.
    Indessen mehren sich die Anzeichen, dass Land in greifbarer Nähe ist. Man sichtet einen geschnitzten Stock, der offensichtlich von Menschenhand bearbeitet worden war. Die Männer der »Niña« fischen einen Zweig mit roten Beeren aus dem Wasser. »Bei diesen Anzeichen atmeten alle freier und wurden fröhlich«, schreibt der Generalkapitän ins Logbuch - wahrscheinlich war er selbst einer der Fröhlichsten wegen dieses Fundes! Und jeder, der nicht am Tauwerk oder in den Wanten zu tun hat, steht am Bug und starrt nach vorn.
    Die kleine Flotte kommt gut voran, man macht vier bis sechs Knoten. Columbus lässt alle gebotene Vorsicht fahren und segelt auch nachts mit voller Geschwindigkeit weiter - ein riskantes Unternehmen in unbekannten Küstengewässern. Er ist zu allem entschlossen - was hat er zu verlieren?

Tierra a la vista!
    Wie immer eilt die »Pinta« den beiden anderen Karavellen voraus. Es ist Nacht, die Nacht vom 11. zum 12. Oktober 1492. Der Mond ist zu drei Vierteln voll. Im Ausguck sitzt ein junger Matrose, Juan Rodríguez aus Sevilla.
    Um zwei Uhr in der Frühe fährt Columbus durch den Signalschuss einer Bombarde aus dem Schlaf und eilt an Deck.
    Juan Rodríguez da oben in seinem »Krähennest« hatte gute Augen. Er hat im Mondlicht den hellen Saum einer Brandung entdeckt, die sich an einer Felsküste bricht. Und nun sehen alle die lang gezogene dunkle Silhouette einer Landmasse, die sich nördlich vor ihnen aus dem Meer erhebt.
    Die »Santa Maria« und die »Niña« schließen zur »Pinta« auf. Sofort werden die Segel eingeholt und die schnelle Fahrt der Schiffe beendet. Mit gerefftem Tuch drehen die Schiffe bei und warten ab, bis das Tageslicht eine sichere Weiterfahrt ermöglicht.
    In den drei Stunden bis Sonnenaufgang wird wohl keiner aus der Crew ein Auge zugemacht haben. Man betet, man singt, man tanzt und wirft immer wieder begehrliche Blicke auf die dunklen Konturen voraus. Abgesehen von der ungeheuren Erleichterung, es nun doch geschafft zu haben, statt eine mühe- und gefahrvolle, unehrenhafte Rückfahrt anzugehen, sind es ziemlich eindeutige Gefühle, die die Männer beherrschen: Wissbegierde, Neugier und vor allem Gier. Nackte, blanke schamlose Gier. Das da ist das Goldland. Das da ist die Beute.
    Und Columbus selbst? Ein dem Tode Entronnener, ein Wiedergeborener. Ich glaube nicht, dass er triumphiert hat. Dazu war er seiner Sache immer viel zu sicher gewesen, um jetzt aufzutrumpfen. Zweifellos hat er mit Herablassung und in stolzer Haltung die Huldigungen seiner Männer entgegengenommen, für die er nun wieder der Größte war, hat die verlegenen Entschuldigungen der Pinzóns und Juan de la Cosas genossen.
    Aber dann? Wozu sollte er sich nun, da eingetroffen war, was er immer gewusst hatte, aus der Ruhe bringen lassen? Gott hatte das an ihm getan, was ER ihm schuldig war. Ein tiefer Frieden umfängt ihn. Morgen wird er alle seine Kraft brauchen für die neuen Aufgaben als Gouverneur eines Landes, das er noch nicht kennt. Aber heute ist er erst einmal am Ziel.
    Und so könnte ich mir vorstellen, dass der Admiral, nachdem er sein Gebet verrichtet hat, als Einziger von der ganzen Besatzung in dieser Nacht - schläft.
    Â 
    Und vielleicht schläft in dieser Nacht auch Beatriz de Bobadilla, die auf einer Expedition in den Norden ihrer Insel mit dem Schiff unterwegs war, auf Deck unterm Licht der Sterne.
    Wohl ist das Bild des Seefahrers verblasst - mit allzu vielen Widrigkeiten hat sich die Gobernadora in ihrer Position herumzuschlagen, allzu viele Feinde erwachsen ihr ringsum -, aber mit einer Beharrlichkeit und Treue, die die »Jägerin« sonst nicht immer zeigte, hat sie an ihrem Versprechen

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