Comin 2 get u
mir plötzlich ein schrecklicher Gedanke: Was, wenn Tommy es nicht scha fen würde? Ich weiß, das klingt egoistisch, aber ich hatten Angst, dass sie ihn wegen Befehlsverweigerung vors Militärgericht stellen würden. Ein Leben ohne Tommy wäre nicht auszuhalten gewesen, wie ich schon bald erfahren sollte.
Als ich nach oben kam, war der Teufel los. Tiddley Nortons Exerzierplatzgebrüll übertönte das aufgeregte Geplapper seiner jungen Rekruten. »Komm sofort hierher zurück, Riley. Wo zum Teufel willst du hin?«
Die Tür der Hütte stand weit offen. Tommy war nirgends zu sehen.
»Riley, komm sofort hier rein!«
Aber es war Sharky, der zuerst in der Tür erschien. »Alles in Ordnung, Chief«, sagte er, während er Tommy hinter sich herzog. »Riley war etwas komisch zumute, deshalbmusste ich mit ihm rausgehen, damit er sich übergeben kann.«
»Damit er was?«, bellte Tiddley Norton.
»Muss an diesem Nierenfettkuchen gelegen haben, Chief«, sagte Sharky. »Aber jetzt ist er wieder voll hergestellt, oder, Professor?«
Tommy nickte wenig überzeugend.
»Alles klar, Riley, das ist deine letzte Chance. Steig jetzt diese Leiter hoch!«
Ich konnte kaum hinsehen. Tommys Gesicht hatte eine grünliche Farbe angenommen. Er stand da und starrte den Tank an, reglos, doch mit einem fast unmerklichen Zittern seiner Knie.
»Los, Tommy«, flüsterte ich. »Illegitimi nil carbo wieduesnennst.«
Er brachte ein schwaches Lächeln zustande und bewegte sich auf die Leiter zu wie jemand, der sich dem Schafott nähert. Zuerst war jede einzelne Sprosse die reinste Tortur. Dann gewann er langsam an Dynamik, bis er – als er oben angekommen war – wie ein echter Seemann wirkte.
Ich hatte die Panik in seinen Augen gesehen. Es grenzte an ein Wunder. Mut hat nichts mit dem zu tun, vor dem du Angst hast,Sam. Wir alle haben Angst vor etwas, manchmal aus gutem Grund. Doch es zählt nur, wie du mit deiner Angst umgehst.
Auf Tiddley Nortons Gesicht breitete sich ein schiefes Grinsen aus, als er dem Mann mit der Stange ein Zeichen gab. Ich kann dir nicht sagen, wie stolz ich war, als Tommys Gesicht wieder auftauchte.
Wenn ich gewusst hätte, was einen knappen Monat später passieren würde, hätte ich ihn einen heiligen Eid schwören lassen, nie wieder einen Fuß in die Nähe von Wasser zu setzen.
Am nächsten Tag wurden wir zur Pompey-Kaserne beordert (wo das Essen ein kleines bisschen besser war, was Dich sicher freut zu hören), um auf unseren ersten Einsatz zu warten. Zwei Wochen später waren Tommy, Sharky Beal und ich in eine briefmarkengroße Koje auf dem vollgekotzten Unterdeck des Truppentransporters
Orion
abkommandiert worden.
»Werde ein bisschen Kampfgeschehen sehen«, murmelte Sharky. »Werde meine Familie stolz machen.«
Wir hatten eine sechswöchige Ausbildunghinter uns, wir hatten nicht die leiseste Ahnung, wohin es uns verschlagen würde, wir kannten kaum den Unterschied zwischen backbord und steuerbord und die meisten von uns waren gerade mal ihren Kinderschuhen entwachsen, aber nach Ansicht des »Ministeriums der Hohlköpfe« waren wir bereit für den Krieg.
21.43 Uhr
Ich wollte nicht mehr weiterlesen. All das Zeug über die Freundschaft zwischen Großvater und Tommy Riley hatte mich deprimiert. Alex und ich waren »in den guten alten Zeiten« genau solche Freunde gewesen, doch jetzt wollte er nicht mal mehr im Bus neben mir sitzen und jedes Mal, wenn er mich sah, lief es nach dem Motto »Verschwinde und lass mich in Ruhe« ab.
Ich lag auf dem Rücken auf meinem Bett und dachte, es könnte nicht schlimmer kommen, als Mum an meine Tür klopfte und mir mal wieder das Gegenteil bewies.
»Post für dich, Sam«, sagte sie und reichte mir einen braunen A 4-Umschlag , genau wie die, in denen sie manchmal ihre Notizen zu einem Fall aufbewahrte. »Ist gerade eben gekommen. Irgendwer hat geklingelt, aber als ich die Tür geöffnet habe, war niemand mehr zu sehen – muss von deiner Freundin sein.«
Ich studierte die ordentliche Schrift auf dem Umschlag:
Zu Händen von Herrn S. Tennant
.
»Ja, wahrscheinlich.«
Sie hatte sich erwartungsvoll in der Nähe meiner Klarinettenurkunde aus der dritten Klasse positioniert. »Ein bisschen förmlich, oder? Ich dachte immer, ihr jungen Leute gebt nichts auf die Schneckenpost. Außerdem wäre ich alles andere als begeistert, wenn ich wüsste, dass meine Tochter zu dieser Uhrzeit Liebesbriefe verteilt.« Ihr Gesicht wurde etwas weicher. »Trotzdem, es ist
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