Commander Scott 03 - Die Rebellenwelt
beklagte er sich bitter. »Der Aberglaube wuchert. Kazym entwickelt sich immer mehr zum Tyrannen. Geheimpolizei, Verhaftungen ohne Haftbefehl - und du sagst, wir haben keine Zeit. Wozu haben wir keine Zeit, Tanah? Bist du dir sicher, daß wir keinen Selbstmord verüben?«
»Kazym ist ein starker Mann, und im Augenblick brauchen wir einen starken Mann.« Sie stand auf und schaltete die Musik ab. Sie wählte irgendeinen Kanal auf dem Gerät. Trommeln und Pfeifen klangen zu einem aufreizenden Rhythmus zusammen.
»Musik aus dem Tempel der Wahrheit«, sagte er ätzend. »Die Wahrheit, die wir niemals anzweifeln, niemals untersuchen dürfen. Komm mit mir, Tanah, und schau dir an, wie diese neue Wahrheit funktioniert. Hör zu, wie diese Zauberer der Masse das kommende Paradies verkaufen. Es wird einem schlecht, wenn man nur zuhört.«
»Wenn du auf Metelaze nicht glücklich bist, Marl, würde ich an deiner Stelle auswandern.«
»Metelaze ist genauso meine Heimat wie die deine, Tanah. Ich bange nur um sie.«
Robbain benahm sich sehr sonderbar heute abend, dachte Tanah. Sie hatte schon immer gewußt, daß er dem Projekt skeptisch gegenüberstand. Aber daß er plötzlich so sehr die Fassung deswegen verlor, war ihr unbegreiflich.
Aber konnte er recht haben? Er durfte es einfach nicht. Der Gedanke wäre zu entsetzlich: die Bodenschätze und Kräfte eines ganzen Planeten fünf Jahre lang einer Illusion geopfert, der Geist von falschen Propheten verblendet, der Staatsrat manipuliert wie ein Haufen Marionetten... Sie dachte an Ludens Warnung. Hatte er etwas angedeutet, was er nicht auszusprechen wagte? Kult als Anstifter zum Umsturz?
»Nun, Tanah?« fragte Robbain, der spürte, daß seine Argumente endlich wirkten. »Willst du nicht miterleben, wie Meister Zorach seinen Kult zelebriert? Wenn ich mich nicht ganz täusche, wird er bald im Staatsrat sitzen. Die nächste Wahl bringt ihn an die Macht. Wenn nicht Kazym ihn schon vorher in den Rat beruft.«
»Das kann er nicht ohne Abstimmung.«
»Dann gibt es eben einen Ausnahmezustand.« Er streckte Tanah einladend beide Hände hin. »Komm mit, Tanah. Du sollst dich selbst überzeugen, was in den Tempeln vor sich geht.« Unten auf der Straße patroullierten die Polizisten. Tanah hatte einen Pelzumhang gegen die Kälte angelegt. Nur ein paar Wagen bewegten sich durch die Straßen. Dann kam ein Lastwagen, vollgestopft mit Männern, die Drillichzeug trugen.
Robbain blickte dem Wagen nach und sah dann die Frau neben ihm an. »Freiheit«, sagte er trocken, »das neue Zeitalter.«
»Das sind Kriminelle«, erwiderte sie scharf. »Sie können sich über ihr Schicksal nur bei sich selbst beklagen.«
»Es sind Männer und Menschen wie wir«, erwiderte er ruhig, »die es wenigstens verdienen, vor der Kälte und dem Schnee geschützt zu werden.«
Sie drehte sich ärgerlich um und schritt davon. Er lief ihr nach. »Warte, Tanah. Ich habe doch einen Wagen dabei.«
»Ich verzichte darauf.«
»Du Möchtest also lieber zu Fuß gehen?« Er zuckte die Achseln. »Dann wirst du noch ein paar interessante Einzelheiten beobachten können. Die Polizisten mit ihren Karabinern. Hast du schon mal zugesehen, wenn ein Mann auf der Straße erschossen wurde? Und dann die Bettler und die verfallenden Häuser...« Sie hielt wieder an und sah ihm wütend ins Gesicht.
»Ich kann auf deine Belehrungen verzichten, Marl! Wenn du sie fortsetzen willst, gehe ich allein weiter.«
»Entschuldigung«, murmelte er. »Willst du tatsächlich zu Fuß gehen?«
»Es ist nicht weit bis zum Tempel. Und hör auf, dich dauernd mit diesen Sorgen zu quälen. Armut, Zwangsarbeit - das wird sehr bald der Vergangenheit angehören.«
»Mag sein.« Es klang nicht sehr überzeugend. Plötzlich sog er zischend die Luft ein. »Der Mann da - was sucht der hier?«
»Wen meinst du denn?«
»Diesen Scott.« Er deutete nach vorn, wo sich eine kleine Menschengruppe am Rand des Bürgersteiges versammelt hatte. »Kazyms neue Kreatur. Ist er mir vielleicht hierher gefolgt?« Sie blickte in die Richtung, in die Robbain deutete. Sie studierte die schlanke Gestalt und das Gesicht unter dem schneebedeckten Haar. Das war kein Mann von Metelaze, überlegte sie, und ganz gewiß keine Kreatur, die sich mißbrauchen ließ.
»Bist du sicher, Marl? Ich habe diesen Mann noch nie gesehen.«
»Aber ich. Er folgt Kazym wie ein wachsamer Schatten. Mir scheint, unser geliebter Diktator hat sich seit neustem einen Leibwächter zugelegt. Aber was sucht
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