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Commedia und Einladungsband: I.Commedia. In deutscher Prosa von Kurt Flasch II.Einladung, Dante zu lesen (German Edition)

Commedia und Einladungsband: I.Commedia. In deutscher Prosa von Kurt Flasch II.Einladung, Dante zu lesen (German Edition)

Titel: Commedia und Einladungsband: I.Commedia. In deutscher Prosa von Kurt Flasch II.Einladung, Dante zu lesen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dante Alighieri , Kurt Flasch
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geht von Beatrice weg und belegt mit poetischen Texten der Zeit, daß andere literarische Frauen ganz anders lebten und dachten als Beatrice. Dantes Glorifizierungswille hat Beatrice zu einsamer Höhe erhoben. Ich sehe mich nach ihren Zeitgenossinnen um und finde Bice in ihrem historischen Raum nicht allein. Nur repräsentiert sie nicht d i e ›mittelalterliche‹ Konzeption der Frau. Es gab damals ganz andere Auffassungen der Welt und der Frau in der italienischen Dichtung der Zeit. Dies möchte ich belegen mit vergnüglichen Gedichten von Cecco Angiolieri und einigen Frauengeschichten Boccaccios. Sie zeigen Größe, Grenze und Originalität von Dantes Erfindung seiner Geliebten, deren physische Existenz für ihn nur den Ausgangspunkt bot.
    1.
    Anti-Beatrice bei Cecco Angiolieri
    Der Dichter Cecco Angiolieri aus einer vornehmen Familie von Siena (ca. 1260 bis ca. 1312) ist heute in Deutschland kaum bekannt; er kommt im Großen Brockhaus nicht vor. Aber seine Dichtung steht in so bewußtem Kontrast zu der Dantes, besonders was die Rolle der Frau angeht, daß sie neues Licht wirft auf Beatrice und die Commedia. Cecco Angiolieri bezieht sich in einigen Sonetten ausdrücklich auf Dante. [850]   Die Frau seiner Gedichte ist die Karikatur Beatrices. Ceccos Weltauffassung und seine Sprache stellen sich gegen Dante: Wo Dante ernst ist und feierlich, schreibt Cecco ironisch und anti-idealistisch. Gegen Dantes Beatrice-Verherrlichung und Jenseitsblick setzt er deftig aufs irdische Vergnügen, auf Sex, Wein, Glücksspiel und Geld. Er schreibt sinnenfreudige Gedichte in der Manier der lateinischen Studentenpoesie. Er haßt die Armut und verspottet den allzu hohen Ton. Allem, was edel, erhaben und moralistisch klingt, setzt er Melancholie und Skepsis entgegen. Seine Freundin heißt Becchina; er läßt sie alles sagen, und er sagt ihr alles, was die hohe höfische und theologisierte Liebeslyrik als künstlich und unwahr erscheinen läßt. Hier als Proben Ceccos poetische Klagegedichte über seine Anti-Beatrice. Es wirkt noch der antike Liebesgott. Aber er wird verflucht. Er bringt nur Ärger.
Ch’ella non cura s’i’ ho gioi’ e pene
Men ch’una paglia che le va tra’ piei.
Mal gradi n’abbi Amor, ch’ a le’ mi diène! [851]  
Ob ich Freude habe oder Leid, das kümmert sie
weniger als ein Strohhalm unter ihren Füßen.
Dieser verdammte Amor! Er hat mich ihr ausgeliefert.
    Cecco ist fremdgegangen und will wieder ihre Gunst. Das ergibt folgende Unterhaltung, ein Sonett:
»Becchin’amor.« – »Che vuo’, falso tradito?«
»Che mi perdoni.« – »Tu non ne se’degno.«
»Merzé, per Dio!« – »Tu vien’ molto gecchito.«
»E verrò sempre.« – »Che sarammi pegno?«
»Becchina, Liebchen!« – »Was willst du falscher Betrüger?«
»Daß du mir verzeihst.« – »Das bist du nicht wert.«
»Verzeih mir, Gott zuliebe.« – »Du kommst ziemlich zahm daher.«
»So will ich immer kommen.« – »Was gibt es dafür als Pfand?«
»La buona fé.« – »Tu ne se’ mal fornito.«
»No inver’ di te.« – »Non calmar, ch’i’ ne vegno!«
»In che fallai?« – »Tu sa’ ch’i l’abbo udito.«
»Dimmel, amor.« – »Va, che ti veng’ un segno!«
»Treu und Glauben.« – »Daran haperts bei dir.«
»Aber nicht zu dir.« – »Schmeichle nicht! Sonst komm ich dir!«
»Was hab’ ich denn falsch gemacht?« – »Du weißt: Ich hab davon gehört.«
»Sags mir, Liebe.« – »Geh! Sonst gibts einen Schlag.«
»Vuo’ pur ch’i’ muoia?« – »Anzi mi par mill’anni.«
»Tu non di’ bene.« – »Tu m’insegnerai.«
»Ed io morrò.« – »Omè, che tu m’inganni!«
»Willst du denn, daß ich sterbe?« – »Ich kanns gar nicht abwarten.«
»Du sprichst nicht gut!« – »Das hast du mir beigebracht.«
»Und ich sterbe.« – »Ach, was du mir vorgaukelst!«
»Die tel perdoni.« – »E ché, non te ne vai?«
»Or potess’ io!« – »Tègnoti per li panni?«
»Tu tieni ’l cuore.« – »E terrò co’ tuo guai.«
»Gott verzeih’s dir!« – »Und warum verschwindest du nicht?«
»Ach, könnte ich das!« – »Halt’ ich dich denn am Rock fest?«
»Nein, am Herz.« – »Und das halt ich fest. Damit es dir schlecht geht!« [852]  
    Ein Liebesdialog ohne Happy-End. Liebe will nicht immer das Gute. Die vulgäre Wortwahl in der feierlichen Form des Sonetts wirkt entsakralisierend und ironisch. Kritik, die vor nichts haltmacht, nicht einmal vor Mutter und Vater, das ist

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