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Commissaire-Llob 1 - Morituri

Commissaire-Llob 1 - Morituri

Titel: Commissaire-Llob 1 - Morituri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
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Angst in
    mir hochkriecht.
    Ich schlüpfe in meinen Anzug Marke „Proletarier
    wider Willen“, schütte ein seifig schmeckendes
    Gebräu hinunter und verbringe eine volle Viertel-
    stunde auf der Lauer hinter meinem Fenster, für
    den Fall, daß ein Terrorist vorhaben sollte, mir den
    mit Vorurteilen vollgestopften Schädel wegzupus-
    ten. Die Luft scheint rein. Ein Müllmann räumt
    gerade den Abfall weg, der morgen garantiert wie-
    der dasein wird, ansonsten ist die Straße so verlas-
    sen wie das Paradies.
    Von meinem Haus zur Garage, in der mein Auto
    geparkt ist, sind es zweihundert Meter. Früher habe
    ich sie in einem Stück zurückgelegt. Heute ist das
    eine Expedition. Alles scheint mir verdächtig. Je-
    der Schritt bedeutet Gefahr. Manchmal habe ich
    solchen Schiß, daß ich am liebsten umkehren wür-
    de.
    Der Parkwächter ist ein guter Kerl. Ich tue ihm
    leid. In seiner naiven Sicht der Dinge bin ich so gut
    wie tot. Er ist geradezu überrascht, mich Tag für
    Tag überleben zu sehen.
    Besonders nah standen wir uns nie. Unsere Be-
    ziehung beschränkte sich auf „Guten-Morgen-
    Guten-Abend“. Aber wenn er mal ein Problemchen
    hatte, wußte er stets, wo ich zu finden war. Wenn
    er mit verstörter Miene zu den unmöglichsten Zei-
    ten bei mir auftauchte, beruhigte ihn schon mein
    bloßer Anblick. Ich war der nette Bulle des Vier-
    tels, allzeit selbstlos und hilfsbereit, und meine vier Wände, die ansonsten wenig Ähnlichkeit mit einem Beichtstuhl aufweisen, empfingen ohne Anse-
    hen von Sitte und Rasse endlose Scharen von Au-
    ßenseitern. Obwohl ich nicht der Prophet war,
    schien mir, daß ich eine Herde Schäfchen hatte, mit
    der man zehn Revolutionen hätte bestreiten kön-
    nen. Doch dann fingen sie an, meine Kollegen ab-
    zuknallen, und die Welt um mich herum entvölker-
    te sich schlagartig. Auf der Straße tut man nun so,
    als kenne man mich nicht. Sich in der Nähe eines
    Bullen aufzuhalten heißt, sich verdammt in Gefahr
    zu bringen. Vor allem, wenn es von überall her
    knallt. Niemand wagt mehr, mich mit der leisesten
    Geste zu grüßen, nicht einmal mit einem verstohle-
    nen Blick. Niemand erinnert sich mehr an die klei-
    nen Gefälligkeiten, die ich ihm früher einmal er-
    wiesen, oder an das Wespennest, aus dem ich ihn
    einst herausgeholt habe. Im Land der vier Winde
    drehen sich die Wetterfahnen im Kreis.
    Von nun an bin ich „der Bulle“ und damit basta.
    Man erwartet von mir, daß ich die bevorzugte Ziel-
    scheibe abgebe und ansonsten die Klappe halte.
    Deshalb empfängt mich der Parkwächter mit Trau-
    ermiene und begleitet mich zu meinem Auto wie
    zu einem Begräbnis. Keine hektische Verbeugung
    mehr, kein Tremolo mehr in seinem „Guten-Tag-
    Herr-Kommissar“, keine an Scheinheiligkeit gren-
    zende Untertänigkeit. Mein Parkwächter zeigt fast
    so etwas wie Herablassung. Sicher, er ist nichts,
    aber er riskiert auch nichts. In gewissem Sinn rächt
    er sich an der sozialen Hierarchie.
    Ich komme mit einer Stunde Verspätung in der
    Zentrale an. Sicherheit verpflichtet. Es wurde uns
    eindringlich nahegelegt, unsere Gewohnheiten täg-
    lich zu ändern.
    Der Amtsdiener überfällt mich im selben Mo-
    ment, als ich das Gebäude betrete. „Der Chef ver-
    langt nach Ihnen.“
    „Sag ihm, daß man mich gerade umgebracht
    hat.“
    Ich schiebe ihn genervt zur Seite und rausche an
    ihm vorbei in mein Büro.
    Lino, mein Leutnant, ist schon da. Früher war er
    Weltmeister im Blaumachen. Andauernd hinter
    seinen kleinen Intrigen, seinen Bestechungen und
    seinen Huren her. Er hatte begriffen, daß Wunder
    im Sultanat der Cliquen und Klüngel eine Frage
    von Verhandlungen sind. Er verdiente nur ein paar
    Groschen, genoß keinerlei Vergünstigungen und
    nicht die geringste Sicherheit. Um an eine Woh-
    nung heranzukommen, hätte er ein besserer
    Schleimer sein müssen. Und um eine Familie zu
    gründen, hätte er nicht nur einen harten Schwanz,
    sondern auch spitze Ellenbogen gebraucht. So
    wurstelte sich Lino durch den Dschungel unserer
    Gesellschaft.
    In einem Land, in dem man früh aufstehen muß,
    um einen schäbigen Kühlschrank zu ergattern, darf
    man von der Wache nicht erwarten, daß sie abends
    lange aufbleibt. Deshalb habe ich bei seinen Ge-
    schäften immer mitleidig ein Auge zugedrückt.
    Aber mit einem Mal wurde Lino kreuzbrav. Er ist
    jetzt schon vor dem Amtsdiener im Büro. Was
    ganz normal ist, immerhin verbringt er dort die
    Nacht. Zu sich nach Hause, nach Bab-el-Oued,
    geht er

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