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Commissaire-Llob 1 - Morituri

Commissaire-Llob 1 - Morituri

Titel: Commissaire-Llob 1 - Morituri
Autoren: Yasmina Khadra
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doppelt Gefahr läuft, Opfer eines Attentats zu werden.
    Und wenn er im Roman auch nicht auf der Todesliste von Abou Kalybse aufscheint, so gehört Commissaire Llob doch zu den morituri, den todgeweihten Gladiatoren der Gerechtigkeit, also zu jenen Schriftstellern, Komödianten, Gelehrten, Universitäts-angehörigen und Journalisten, die im Laufe des Romans bedroht und teilweise umgebracht werden. Die Gefahr, der Llob sich als Kommissar aussetzt, zeigt sich nicht nur in den Todesdrohun-gen, die er und seine Familie erhalten, sondern auch im Schicksal zweier Kollegen. Während der eine der permanenten Bedro-hung nicht mehr standhält, dem Alkohol verfällt, arbeitsunfähig wird und sich völlig in sich zurückzieht, wird der andere auf grausamste Weise von Terroristen ermordet. Dies hält Llob jedoch nicht davon ab, seine Ermittlungen fortzusetzen und mit kritischem Auge und tiefer Sorge die Entwicklung in seiner Heimat zu verfolgen.
    Das Bild Algeriens, das Yasmina Khadra aus der Perspektive des Protagonisten zeichnet, spiegelt die komplexen Verhältnisse wider, die zur gegenwärtigen Situation geführt haben, und ist als Absage an eine vorverdammende Schwarzweißmalerei zu sehen, die allein islamische Fundamentalisten als Schuldige des Bürgerkriegs an den Pranger stellt. Yasmina Khadra macht deutlich, daß die Täter in allen Bevölkerungsschichten zu finden sind und wie stark ehemalige Politiker und führende Köpfe des FLN in den gegenwärtigen Konflikt involviert sind. Dem Leser wird klar, daß die politischen und sozialen Verhältnisse der vergangenen Jahrzehnte die Krise in Algerien heraufbeschwört haben und daß die Drahtzieher der blutigen Ereignisse teilweise aus den höchsten Regierungskreisen hervorgingen. Khadra scheut sich nicht, jene „Kriegsgewinnler“ anzuprangern, die zum richtigen Zeitpunkt die Seite gewechselt haben, nun in ihren bewachten Villen Feste feiern und Macht und Kapital unter sich aufteilen, während in anderen Vierteln der algerischen Hauptstadt soziale Mißstände die Einwohner auf die Straße treiben und zu Verbrechern werden lassen. Dies verdeutlicht nicht nur die Komplexität der Krise in Algerien, sondern auch deren Ausweglosigkeit. Denn solange nur das algerische Volk leidet, führende Wirtschaftstreibende und Politiker jedoch Kapital aus der Situation schlagen, ist ein Ende des Konflikts nicht abzusehen.
    Daß in Morituri ausgerechnet ein Schriftsteller für den Tod Dutzender Intellektueller verantwortlich zeichnet, ist als weiteres Indiz dafür anzusehen, wie sehr sich die Lage in Algerien zugespitzt hat und wie hoffnungslos sie erscheint. Während zahlreiche Autoren es aufgrund von Drohungen nicht mehr wagen, ihre Stimme zu erheben, und aus Angst verstummen –
    les troubadours ne chantent plus –, müssen die anderen mit dem Leben bezahlen oder werden auf andere Art zum Schweigen gebracht – partout où porte leur muse, ils [les troubadours] la voient muselée. Indem Yasmina Khadra ihren Protagonisten nicht nur als Kommissar, sondern auch als Schriftsteller agieren läßt, macht sie deutlich, daß es ungeachtet der Gefahren gerade in der gegenwärtigen Situation die Aufgabe der Künstler und der Intellektuellen ist, die Entwicklungen innerhalb des Landes zu verfolgen und auf die Mißstände aufmerksam zu machen.
    Genau diesen Schritt wagt Yasmina Khadra in ihren Romanen und läßt sich nicht davon abhalten, den pouls de la terre zu fühlen, auch wenn sie weiß, daß sie Gefahr läuft, diesen Mut mit dem Leben zu bezahlen.
    Daß von Seiten der Regierenden keine Lösung des Konflikts zu erwarten ist, zeigt Yasmina Khadra in Morituri auf sehr eindringliche Art und Weise. Neben den Intellektuellen setzt sie ihre Hoffnung auf das algerische Volk, auf all jene Männer und Frauen, die nicht verstummen und sich trotz der Drohungen für freie Meinungsäußerung und Gerechtigkeit einsetzen. Diese Hoffnung nimmt im integren und unbestechlichen Commissaire Llob Gestalt an, dessen Idealismus angesichts der Ereignisse in seiner Heimat wie ein Relikt aus einer längst vergangenen Zeit anmutet. Gemäß den Worten des 1993 auf offener Straße ermordeten algerischen Schriftstellers Tahar Djaout, Si tu parles, tu meurs. Si tu te tais, tu meurs. Alors, parle et meurs (Wenn du redest, stirbst du. Wenn du schweigst, stirbst du. Also rede und stirb), die Yasmina Khadra in Morituri aufnimmt, ignoriert der unerschrockene Polizeikommissar und Schriftsteller die tödlichen Gefahren, denen er sich
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