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Commissaire-Llob 1 - Morituri

Commissaire-Llob 1 - Morituri

Titel: Commissaire-Llob 1 - Morituri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
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Brise, die verspielt durch
    die nächtlichen Buchten streicht, wird mich nie
    wieder in Träumereien wiegen. Nichts wird mir die
    Lichtblicke der wenigen Momente des Vergessens
    aufheitern, denn nach allem, was ich gesehen habe,
    kann ich niemals wieder glücklich sein.
    Während ich so meine düsteren Gedanken wälze,
    kommt der Amtsdiener zurück und erinnert mich
    an die Ungeduld des Chefs.
    Behäbig wie ein Elefant, der sich seines bevor-
    stehenden Todes bewußt ist, wuchte ich meinen
    Hintern aus dem engen Stuhl, keuche die achtund-
    sechzig Stufen der Stiege bis in den dritten Stock
    hinauf – der Lift ist ausschließlich für den persön-
    lichen Gebrauch des Chefs bestimmt – und bringe
    ganz nebenbei wieder mein Rheuma auf Trab.
    Der Chef macht sich hinter seinem Schreibtisch
    breit. In all dem Luxus sieht er wie ein Denkmal
    aus. Doch bei genauerer Betrachtung ist er nur eine
    Schießbudenfigur, die im falschen Zirkuszelt sitzt.
    Er ignoriert meinen ordnungsgemäßen Gruß und
    schiebt wortlos ein Stück Papier in meine Rich-
    tung. „Ich habe keine Zeit, mich drum zu küm-
    mern“, verkündet er mir und vertieft sich wieder
    ins Feilen seiner Fingernägel.
    „Was ist es denn?“
    „Der Schwiegersohn von Herrn Ghoul Malek …“
    „Der Ex-Star der Republik …? Hat man ihn um-
    gebracht?“
    Empört fährt er auf: „Er feiert die Einweihung
    seines neuen Wohnsitzes.“
    „Und dafür wendet er sich an die Kripo?“
    „Das ist eine Einladung. Ich kann nicht hingehen.
    Ich bin verhindert.“
    Weil ich immer noch nicht verstehe, redet er
    Klartext: „Du sollst mich da vertreten.“
    „Ich habe auch jede Menge Arbeit“, protestiere
    ich, während mir bei dem Gedanken daran speiübel
    wird, mich bei diesem mondänen, meineidigen
    Schuft einzuschmeicheln, den ich wie selten je-
    manden verachte.
    „Das ist ein Befehl!“ Daraufhin dreht er samt
    Sessel ab und präsentiert mir einen Rücken von der
    Breite der Berliner Mauer. So stell ich sie mir je-
    denfalls vor, in der Hoffnung, auch ihn eines Tages
    stürzen zu sehen, obwohl ich ja überzeugt bin, daß
    Wunder nur etwas für fromme Christen sind.

    2

    Ich stöbere eine Stunde lang in meinem Kleider-
    fundus und kann schließlich doch nur eine clow-
    neske Krawatte finden, die noch aus der Zeit vor
    der Verstaatlichung der Kohlenwasserstoffwerke
    stammt.
    Mina betrachtet mich im Spiegel. Von Zeit zu
    Zeit streicht sie eine rebellische Locke in meiner
    Mähne glatt, schnippt mit dem Finger ein Staub-
    korn von meiner Weste, sie ist so sanft, so auf-
    merksam, viel zu verliebt, um in mir den losgelas-
    senen Bauerntölpel zu sehen, den ich aber trotzdem
    ziemlich glaubwürdig verkörpere.
    „Macht dich jünger“, meint sie.
    Möglich: der Anzug stammt noch aus der Zeit,
    als sich die Revolutionen, die die Regierung mit
    der Geschicklichkeit eines Taschenspielers für uns
    aus dem Ärmel schüttelte, gegenseitig das Feld
    streitig machten. Damals machte der billige Ter-
    galstoff einen zum angepaßten Sozialisten, und die
    Demagogen schätzten ihn, selbst wenn ihr eigener
    glänzender Alpakastoff fast schon an Ketzerei
    grenzte.
    Ich steige in meine Rostlaube und brause nach
    Hydra, dem schicksten Viertel von Algier. In die-
    sen wechselvollen Zeiten erinnert es an eine verbo-
    tene Stadt. Kein Fundamentalistenbart hat hier je
    auch nur eine Mimose gestreift, kein Pulverdampf
    je die Süße seines Glückes getrübt. Die Krösusse
    des Landes verleben hier mit vollem Wanst und
    ewig habgierigem Blick ihre Pension.
    Algeriens Kriege zeichnet jene unergründliche
    Besonderheit aus, daß sich die Krieger immer darin
    täuschen, wer ihre eigentlichen Feinde sind.
    Nach seinem Gehaltszettel – angeblich ist er
    Funktionär – zu schließen, hat der Schwiegersohn
    von Herrn Ghoul Malek gerade so viel, um sich
    von Brötchen ernähren und sich ein Dutzend Un-
    terhosen pro Fünfjahresplan kaufen zu können.
    Trotzdem steht seine neue Bleibe dem Club Med in
    nichts nach: über dreihundert Quadratmeter, mit
    Lampions, Girlanden und Ballons bestückt, die so
    groß sind wie die der Brüder Montgolfier. Es gibt
    sogar einen Parkplatz, speziell für diesen Anlaß
    eingerichtet. Funkelnde Luxuskarossen, soweit das
    Auge reicht. Ich parke meinen alten Zastava zwi-
    schen zwei Mercedes. Als ich aussteige, habe ich
    das Gefühl, daß meine Blechkiste geschrumpft ist.
    Zwei Riesen tauchen auf, um sich zu vergewis-
    sern, daß ich nicht aus Lesotho komme. Sie

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