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Commissaire-Llob 1 - Morituri

Commissaire-Llob 1 - Morituri

Titel: Commissaire-Llob 1 - Morituri
Autoren: Yasmina Khadra
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zurückgezogen.
    Es war sonnenklar: das war eine Nummer zu groß
    für uns.
    Ich habe dann allein weitergemacht. Richter Ber-
    rad bestärkte mich. Nach drei Monaten war ich
    nicht einen Millimeter weiter. Da brannte bei mir
    die erste Sicherung durch. Ich wollte das Limbes
    Rouges amtlich schließen lassen. Resultat: Haj höchstpersönlich taucht in meinem Büro auf und
    führt mir ein Video vor. Fassungslos erkenne ich
    meine Nichte inmitten einer abstoßenden Sexorgie.
    Er überließ mir den Film als Musterstück und
    meinte: ‚Und ich habe noch nicht einmal richtig
    nachgeschaut. Es gibt sicher noch einen netten Do-
    kumentarfilm über deine außerehelichen Abenteu-
    er.’
    Der Sturz in den Abgrund, Llob. Aber ich ließ
    nicht los. Ich habe Soria Atti alias Anissa beschat-
    tet. Ich habe Fotos gemacht. Am Tag, an dem ich
    sicher war, sie in der Falle zu haben, hat sie mich
    nur ausgelacht. Während ich auf ihrem Bett meine
    kompromittierenden Fotos auspackte, schaltete sie
    das Video an. Und ich sah Maître Berrad, den
    höchsten Richter, wie er es sich an allen Körper-
    öffnungen von einem Minderjährigen besorgen
    ließ. ‚An deiner Stelle würde ich es aufgeben, hin-
    ter dem Einhorn herzujagen’, sagte Anissa zu mir.
    ‚Es wäre doch schrecklich, aufgespießt zu werden.’
    Dieses Mal war ich allein, wirklich allein. Kein
    Verbündeter mehr, keine Unterstützung. Ich wurde
    wütend. Haj Garne hat vier Luxusbordelle mit
    Prostituierten versorgt, höchste Autoritäten unter
    seinen Stammkunden gehabt und eine regelrechte
    Pornothek aufgebaut, mit der er sie alle erpressen
    konnte. Abgeordnete, Diplomaten, Staatsräte, Ju-
    risten, Journalisten … Um mir den Rest zu geben,
    versicherte er mir, er hätte sogar Dias von Adam
    und Eva.
    Sein Gewerbe war weit mehr als eine Sammel-
    stelle für gerupfte Hühner, es war eine politische
    Kraft. Immer, wenn ein hoher Politiker sich mehr
    oder weniger über die sozialen Mißstände empörte
    und nach Aufdeckung der üblen Machenschaften
    rief, schickte man ihm eine Kopie seiner sexuellen
    Ausschweifungen zu. Blieb er stur, wurde er liqui-
    diert.
    Und weil ich stur blieb, hielten sie mich rund um die Uhr auf Trab. Ich mißtraute am Ende der ganzen Welt. Meiner Frau, meinen Kindern, dem
    Briefträger … So bin ich zuletzt im Irrenhaus ge-
    landet.“
    Wir gehen auf die Veranda hinaus und schauen
    zu, wie das Meer sich krachend am Riff bricht. Auf
    unseren Lippen prickelt die Gischt, unsere Lungen
    saugen gierig den Geruch der Algen ein, um den
    Modergeruch aus unserem Innern zu vertreiben.
    „Wer steckt hinter dieser riesigen Schweinerei?“
    Dine bläst die Backen auf.
    „Die Finanz- und Polit-Mafia. Sie hat diesen gan-
    zen verdammten Krieg angefangen und sie hält ihn
    am Laufen. Eine Ansammlung von alten Politikern,
    die es nicht verkraftet haben, daß sie ausgeschaltet
    wurden, kleptomanische Anführer aus alten Zeiten,
    die ihre Strafe mittlerweile abgesessen haben und
    jetzt zurückkommen, um sich zu rächen, entlassene
    Funktionäre, Revanchisten, die was weiß ich be-
    weisen wollen, eine ganze Bruderschaft verantwor-
    tungsloser Verantwortlicher, deren neue Massen-
    gräber die Aasgeier anlocken und wild machen …“
    „Ich will Namen, Dine, Namen …“
    „Den Namen der Sekte“, knurrt Da Achour aus
    seinem Schaukelstuhl heraus. Er zeigt auf das auf-
    gewühlte Meer. „Horch auf das Rauschen der Wel-
    len, Llob. Die Wellen sind schon in Aufruhr. Das
    dritte Jahrtausend wird zum Ruhme der Gurus er-
    wachen …“

    19

    Die Leute mögen es nicht, wenn man sich ihnen in
    die Sonne stellt. Das macht sie wütend, und sie
    können bös zurückschlagen. Salah Doba weiß das.
    Deshalb hat er sich entschlossen, sich ganz klein zu
    machen. Die Kleinen werfen weniger Schatten. Sie
    leben versteckt in dem ihren. Das schützt sie vor
    dem bösen Blick.
    Salah Doba ist klug. Klein zu sein bedeutet nicht,
    keine großen Pläne zu schmieden. Da hat er sich
    noch nie geniert.
    Und außerdem ist es gar nicht so schlecht, klein
    zu sein. Als Zwerg bekommt man die Ziegel als
    letzter auf den Kopf, und man merkt als erster,
    wenn die Flut kommt. So macht man den Verlust
    an Höhe durch einen Zuwachs an Perspektive wett.
    Offiziell ist Salah Doba ein kleiner Angestellter
    im Untergeschoß der nationalen Wafa-Bank in der
    Rue des Trois Pendules. Tatsächlich ist er Vertreter
    für die unterschiedlichsten Bereiche. Seine Aufga-
    be besteht darin, fernab Geschäfte
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