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Commissaire-Llob 1 - Morituri

Commissaire-Llob 1 - Morituri

Titel: Commissaire-Llob 1 - Morituri
Autoren: Yasmina Khadra
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Dun-
    keln.
    „Irgend jemand hat seit heute morgen dauernd
    angerufen.“
    „Schlaf weiter.“
    Ich taste auf dem Nachttisch herum, finde eine
    Zigarette, zünde sie an. Im Nebenzimmer phanta-
    siert mein Jüngster zehn Sekunden lang vor sich
    hin und ist dann still. Die Nacht leuchtet bläulich
    durch die Fenstergitter. An einem gespenstischen
    Himmel sehnt sich ein Stück vom Mond nach sei-
    ner ganzen Fülle.
    Noch einmal das Telefon.
    „Da bin ich wieder, Habibo.“
    „Du hast die falschen Tabletten geschluckt, hab
    ich recht?“
    „Das ist eben meine Art. Es gefällt mir, mit der
    Beute zu reden, bevor ich sie kaltmache. Das bringt
    einen einander näher, man lernt sich kennen. Ich
    hasse es, jemanden umzubringen, den ich nicht
    kenne. Das hinterläßt den Nachgeschmack des Un-
    fertigen … He, was willst du? Die Leute sind nicht
    alle gleich.“
    „Wer spricht denn da?“
    „Ganz sicher ist es kein Störgeräusch, Habibo.“
    „Soll das ein Witz sein?“
    „Meine Freunde finden, daß ich keinen sehr aus-
    geprägten Sinn für Humor habe. Dem Kerl, den ich
    neulich darauf vorbereitet habe, erstochen zu wer-
    den, ist nichts Besseres eingefallen, um mein Mit-
    leid zu erwecken, als zu erzählen, er hätte eine
    chronische Rachenentzündung.“ Lachen aus dem
    Hörer. „Bist du noch da, Habibo? Warum hustest
    du nicht ein bißchen heftiger …“ Lachen. „Ciao!“
    Meine Zigarette ist zwischen meinen Finger ver-
    glüht. Ich habe nichts gespürt. Ich setze mich auf
    und starre bis zum Morgengrauen das Telefon an.
    Habibo ruft nicht mehr an.

    „Du bist blaß“, teilt mir Mina am frühen Morgen
    mit.
    „Fang nicht wieder damit an, ich bitte dich.“
    Ich esse nur mit halbem Appetit. Mein Butterbrot
    bleibt mir im Hals stecken. Ich weiß nicht warum,
    aber mit einem Mal verursacht mir der Butterge-
    ruch Brechreiz.
    In der Garage macht der Parkwächter dieselbe
    Bemerkung: „Sie sind blaß, Herr Kommissar.“
    „Ich habe zuviel Milch in meinen Kaffee getan.“
    Ich untersuche den Parkplatz, schaue unter die
    Autos, nähere mich meinem Zastava, kontrolliere
    die Griffe, ohne sie zu berühren, aus Vorsicht vor
    eventuellen Drähten, spähe unter die Motorhaube.
    Nicht die Spur einer Bombe.
    „Sind Sie sicher, daß alles in Ordnung ist?“ fragt
    der Parkwächter interessiert.
    „Sind Sie Arzt?“
    „N-nnnein.“
    „Also was geht Sie das dann an?“
    Der Parkwächter zieht den Kopf ein und ver-
    schwindet.
    Ich setze mich hinters Steuer, nehme meinen
    ganzen Mut zusammen und drehe den Zündschlüs-
    sel. Der Motor heult sofort auf. Seltsamerweise.
    Für gewöhnlich ist er störrisch.
    Erst als ich den Schalthebel berühre, entdecke ich
    den Zettel am Rückspiegel:
    „Du bis tot, Habibo.“
    Wenn Bliss meinen schlimmsten Feinden erzähl-
    te, daß Llob ein Angsthase ist, der sich schon bei
    einer Kleinigkeit in die Hose macht, würde ihn
    niemand ernst nehmen. Trotzdem habe ich einen
    Stich lang das Gefühl, als würde der Himmel über
    mir zusammenbrechen.

    * * *

    Habibo stößt im Büro wieder zu mir.
    „Hast du meine Nachricht gefunden?“
    „ Du bist, das schreibt man mit t .“
    „Es ist ja nicht meine Sprache …“
    „Was willst du?“
    „Mich mit dir amüsieren. Ich war in der Garage.
    Ich hab mich halb totgelacht. Deiner armen Karre
    sind die Sicherheitsventile durchgebrannt. Du wirst
    dich fragen, wo ich mich versteckt habe, Habibo,
    hm? Du hast ja überall nachgeschaut. Das beweist,
    wie schlau ich bin. Ich hätte dich gut umbringen
    können. Ich hab’s nicht eilig. Ich werde dich leiden
    lassen. Du wirst mich noch anflehen, dich fertig-
    zumachen. Ich liebe es, wenn man mich anfleht.
    Ich fahr da voll drauf ab. Manchmal lasse ich der
    Beute einen kleinen Hoffnungsschimmer. Sie
    klammert sich mit ganzer Kraft daran. Sie schleppt
    sich vorwärts bis zur Tür. Ich bin schon ganz aus
    ihren Gedanken verschwunden. Sie robbt durch ihr
    Blut, erreicht die Tür, sieht die Treppe, sieht die
    Tür des Nachbarn. Nur drei Meter, nur noch zwei
    Meter, nur noch ein Meter. Sie hebt die Hand,
    schwer wie ein Amboß, kratzt an der Nachbartür,
    wieder und wieder. Die Tür öffnet sich endlich,
    und der Nachbar, das bin ich.“ Er beginnt unheil-
    voll zu lachen.
    Eine halbe Stunde später ruft Mina mich an:
    „Man hat ein Paket vor unserer Tür abgelegt.“
    „Faß es auf keinen Fall an!“ schreie ich. „Und
    bewahr die Ruhe. Nimm die Kinder und ver-
    schwinde. Keine Hektik, Liebling.
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