Commissaire-Llob 2 - Doppelweiß
Berrah vor, mit tiefen Augenringen und blau verfärbten Lippen. Seine Männer hängen völlig geschafft über den dreißig Stühlen, die in mehreren Reihen bis zur Vorführkammer ansteigen.
»Ich hoffe, das war nicht alles für die Katz, dieser ganze Energieverschleiß, Capitaine?«
»Das war jede Mühe der Welt wert. Setz dich dort hin. Es gibt Cafe und Sandwiches, wenn du willst.«
Er klatscht in die Hände, um sich bei seinen Männern zu bedanken: »Leute, ihr wart Spitze! Wir treffen uns in zwei Stunden. Und abends gibt’s in der Offiziersmesse ein Mechoui.«
Kaum sind wir allein, läßt er sich in einen Sessel fallen und fächelt sich mit einer Karteikarte Kühlung zu.
»Was Greifbares?«
»Kannst du wohl sagen!«
»Und Dahmane Faid? Ich wäre für den Rest meines Lebens untröstlich, wenn er nicht mit drinsteckte.«
»Bis zum Hals, Kommissar, bis zum Hals.«
Erst jetzt verspüre ich Lust auf einen Kaffee und bekomme Appetit auf ein Sandwich.
Berrah resümiert mir kurz und bündig die Vierte Hypothese, spielt mir eine Tonbandaufzeichnung nach der anderen vor. Ich höre und höre und traue meinen Ohren nicht.
Dahmane Faid, der Milliardär Kaddour Abbas, Jilali Younes, Inhaber der Le-Mouflon-Kaufhäuser, Hamma Dib, der Juwelier, und noch zwei weitere der vermögendsten Männer sind hingebungsvoll damit beschäftigt, die einzelnen Abschnitte der Direktive H-IV zu diskutieren, und reiten sich dabei immer tiefer hinein. Von Zeit zu Zeit schwillt die Lautstärke an, etwa wenn sie einander zu übertrumpfen suchen, die einen diesen oder jenen Wirtschaftssektor für sich beanspruchen, die anderen hier und da ein Zugeständnis machen, um im nächsten Atemzug schon wieder eine Kompensation einzufordern. Sie debattieren über den Einsatz bestimmter Strategien, die Opportunität gewisser Engagements, die Notwendigkeit einer großangelegten Sabotageaktion.
Berrah illustriert die Verschwörung mit schwarzen Listen der gesamten Infrastruktur, die sabotiert werden soll. Er zeigt mir Fotos, auf denen man Merouane TNT erkennt, wie er gerade dabei ist, den Stahlkomplex von Zitouna in die Luft zu jagen, oder die Handlanger von Hamma Dib, wie sie ihren schmutzigen Geschäften nachgehen. Wir sehen kompromittierende Videos, an denen es nichts zu deuten gibt, studieren Fotokopien, sortieren Beweisstücke. Stoff genug nicht nur für einen Bestseller, sondern vor allem Stoff genug, sechs dicke Vermögen Algiers an den Galgen zu bringen. Es ist alles da: von den Verschwörungsthesen, die auf die Destabilisierung der Volkswirtschaft abzielen, um den Staat zu zwingen, einen Teil seines industriellen Besitzes zu verschleudern, zur kompletten Liste jener Sektoren, auf die Dahmane Faid und seine Clique scharf sind; sowohl Mitschnitte von Telefongesprächen als auch Kopien von Schecks in astronomischer Höhe mit den Namen der Brandstifter und Mörder; hier die Anweisungen zur Ermordung Ben Oudas und anderer »räudiger Schafe«, dort die Erfolgsberichte nach beendigter Mission …
»Wann nehmen wir die Schweinehunde fest?« frage ich empört.
»Sobald ich mich ein bißchen frisch gemacht habe.«
»Ich weiß, daß der Fall in die Zuständigkeit des Geheimdienstes gehört, aber um Faid würde ich mich gerne persönlich kümmern.«
»Keine Einwände, vorausgesetzt, du bringst ihn direkt hierher.«
»Du bist ein echter Kumpel … Apropos Athmane Mamar, hast du etwas gegen ihn in der Hand?«
»Und ob! Er war von Anfang an mit dabei. Anscheinend hat ihm sein Schwager, der Professor, von Ben Oudas Plänen erzählt. Als er daraufhin einen Rückzieher machte, hat Faid ihm Merouane TNT auf den Hals geschickt, um ihn mitsamt seinem Betrieb in die Luft zu jagen.«
Ich nehme mein Kinn zwischen Daumen und Zeigefinger und denke nach. Der Capitaine wirft mir einen beunruhigten Blick zu, verwundert über meine nachdenklich gerunzelte Stirn.
»Stimmt was nicht, Kommissar?«
»Ich verstehe da was nicht. Hattet ihr da einen Maulwurf eingeschleust?«
»Nein.«
»Wer um alles in der Welt hat dann diesen ganzen Kram angehäuft, und vor allem warum?«
Da weiß der Capitaine auch nicht weiter. Jetzt runzelt er die Stirn und sitzt ganz still.
Meiner Meinung ist ihm bisher eine solche Frage nicht im entferntesten in den Sinn gekommen. Der beste Beweis, daß auch seine psychologischen Fähigkeiten bisweilen zu wünschen übrig lassen.
17
Die Sekretärin in der Halle ist gerade dabei, sich ihre Nase zu pudern, als wir aus dem Aufzug
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