Commissaire-Llob 2 - Doppelweiß
Weihnachtsmann“, beruhige ich ihn.
„Was ist los mit dir, mein Junge? Vor wem woll-
test du untertauchen?“
„Ich hatte euch für Boscos Männer gehalten.“
„Und wer ist Bosco? Ein Yetijäger?“
„Mein stiller Teilhaber. Ich schulde ihm Geld. Ist
doch nicht meine Schuld, wenn der Laden nicht
läuft. Wir stecken mitten in der Krise. Aber davon
will der Bosco nichts hören. Ich werde doch wohl
keinem auf offener Straße die Knarre in den Bauch
drücken, nur damit ich ihn auszahlen kann.“
„Da hast du recht. Am Anfang drückt man den
Leuten die Knarre in den Bauch, weil man dazu
gezwungen wird, und mit der Zeit findet man Ge-
schmack daran. Das ist gar nicht gut.“
„Sieh mal her, Kommy, was ich in seinem Näh-
kästchen gefunden habe!“ jubelt Lino und
schwenkt ein Täfelchen Haschisch.
„Das gehört mir nicht!“ protestiert Tej und richtet sich auf.
Ewegh packt ihn an den Schultern und stößt ihn
auf den Stuhl. Tej protestiert noch immer.
Ich hebe sein Kinn mit angewidertem Finger an
und erkläre ihm: „Hör zu, du Saukerl. Wenn du
damit vielleicht zum Ausdruck bringen willst, daß
wir dir dieses Mistzeug da in deine Sachen ge-
schmuggelt haben, um dir Ärger zu machen, könn-
te ich am Ende noch mal aufhören zu glauben, daß
du unfähig bist, Leuten auf offener Straße die
Knarre in den Bauch zu drücken. Wir wissen, daß
du Dealer bist, daß du dir eine luxuriöse Fünfzim-
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merwohnung in Kouba geleistet hast, daß das hier
nur ein Unterschlupf ist, wo du die gestohlenen
Autos auseinandernimmst, um den Schwarzmarkt
mit Ersatzteilen zu versorgen, daß deine Schwester
mit einem notorischen Terroristen verheiratet ist
und du trotz deinem Rauschebart nicht mehr Aus-
sichten auf einen Platz im Paradies hast als jeder
beliebige Abgeordnete …“
Tej liest in meinen Augen und findet dort etwas,
das ihn zuversichtlich zu stimmen scheint. Er errät, daß es nicht in seinem Interesse liegt, die Chance, die ich ihm gerade bewilligen will, auszuschlagen.
„Was wollt ihr von mir?“
„Dir einen Deal vorschlagen.“
„Meine Bank ist bankrott.“
Linos Fuß schnellt vor. Der Jak weicht zurück.
Sein Stuhl stürzt um, und er landet auf der Matrat-
ze. Ewegh sammelt ihn ein, staucht ihn auf dem
Stuhl zurecht.
„Ich wiederhol mich nicht gern!“ warne ich ihn.
„Entweder wir reden, oder wir amüsieren uns. Bei-
des gleichzeitig ist bei uns nicht drin. Also?“
Tej mustert Lino und findet, daß der ein Raub-
tiergebiß hat, dann senkt er den Kopf, um uns
glauben zu machen, er sei in der Lage nachzuden-
ken.
„Ich warte!“
„Laß uns reden.“
„Sehr gut. Wir tun so, als wärst du eben erst auf
die Welt gekommen. Ich habe dein Sündenregister
soeben auf Null gestellt. Im Gegenzug überbringst
du deinem Schwager Gaïd Ali eine Botschaft von
uns.“
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„Keine Ahnung, wo der sich rumtreibt, ich
schwör’s euch. Ali hat sich nicht mehr in der Fami-
lie blicken lassen seit der Sache mit dem entgleis-
ten Zug.“
Ich wende mich an Lino: „Glaubst du ihm?“
„Nicht direkt.“
„Und du, Ewegh?“
Ewegh schüttelt den Kopf.
Ich breite zum Zeichen des Bedauerns die Arme
aus: „Denk dir was anderes aus, Idiot. Wenn dich
mein Angebot nicht interessiert, dann schlag ich es halt jemand anderem vor. Und aus dir machen wir
Kleinholz, Spezialbehandlung inklusive.“
Er kratzt sich den Nasenrücken. Ein rötliches
Spuckegerinnsel hängt ihm im Mundwinkel.
„Worin besteht euer Angebot?“
„Gaïd Ali ist seit einiger Zeit im Besitz eines
Dings, das nicht ihm gehört. Ich würd’s gern ha-
ben.“
„Im Klartext?“
„Es handelt sich um eine Diskette. Er hat sie an
der Place de la Charité einem Freund geklaut, der
seitdem ganz kopflos ist.“
„Ich kapiere nicht, wovon ihr redet.“
„Ist auch nicht nötig. Begnüg dich damit, die
Botschaft zu überbringen. Dein Schwager versteht
schon. Sag ihm, daß es mir egal ist, ob er gerade
untergetaucht ist oder nicht. Ich will weiter nichts als die Diskette.“
„Und wenn ich ihm das bestellt habe, kann ich
nach Hause zurück, ohne daß ihr mir am Arsch
klebt?“
„Wir sind doch keine Zäpfchen.“
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Er tut, als sei er nicht sonderlich begeistert. E-
wegh packt ihn am Nacken und läßt ihn baumeln.
„Mein Name ist Ewegh Seddig. Ich seh nicht gut.
Ich kann ein Leichentuch nicht von einer Friedens-
fahne unterscheiden, deshalb mache ich auch keine
Gefangenen. So
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