Commissaire-Llob 2 - Doppelweiß
… Doch wovon läßt sich träumen, wenn
einem der Hals von einem Ohr zum anderen
durchgeschnitten ist?
Ich klammere mich an einen Ast, um nicht um-
zukippen. Der Teufel kann endlich daran denken,
in Pension zu gehen. An Nachfolgern ist kein
Mangel.
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Alla Tej hat letztlich wohl doch begriffen, daß ein Bart, wenn er zu irgend etwas nützlich wäre, nicht
in jedem Arschloch sprießen würde. Glattrasiert
und mit Pomade im Haar, wirkt er zehn Jahre jün-
ger. Ein Hauch von Khol betont seine Augen und
verleiht seiner Transvestiten-Visage ungeahnte
Frische. Keine Ahnung, wie er es angestellt hat,
sich in eine Jeans zu zwängen, die selbst einer Vo-
gelscheuche zu eng wäre und die Dellen und Wel-
len seines Hinterteils besser nachzeichnet als jede 65
topographische Vermessung. Keine Ahnung, ob
seine eigene Mutter ihn hier noch erkennen würde,
inmitten des Jungvolks, das auf der Tanzpiste vom
Djinn Rouge verwegen die Hüften schwenkt.
Ich meinerseits habe ihn im Fieber der hämmern-
den Dezibel und der zuckenden Lichter gleich aus-
gemacht, dank seines Schattens, der, den Schatten
der verdammten Seelen gleich, mit dem Finger auf
ihn wies.
Ich lümmele an der Theke, ein Glas Orangensaft
zwischen den Pfoten, und überwache das Völkchen
in den Tiefen des Spiegels gegenüber. Eine ganze
Weile leiste ich dem Ansturm der Ausgeflippten
und der Junkies Widerstand. Plötzlich entdecke ich
Alla Tej mitten unter ihnen. Sein Blick, der Blick
einer unreinen Bestie, verfängt sich in meinem. Mit einem Satz ist er quer durch die Menge und schon
aus dem Staub.
Ich mache mir nicht die Mühe, ihm nachzulau-
fen.
Er nimmt je vier Treppenstufen auf einmal, ge-
langt auf die Terrasse, reckt mir als Abschiedsgruß die geballte Faust entgegen und verschwindet in
einem Gang. Ich zupfe gelassen meinen Mantel
zurecht. Ich bin ganz cool.
Eine Nutte, die aussieht wie ein ranziges Sand-
wich vom letzten Jahr, schiebt mir ihre Titten vors Gesicht. „Ich bin vom anderen Ufer“, nehme ich
ihr den Wind aus den Segeln.
Mit meiner üblichen Höflichkeit entschuldige ich
mich rechts und links und bahne mir den Weg zur
Terrasse. Der bewußte Gang verrenkt sich schon
nach der letzten Stufe den Hals und fällt in einer
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Art Vorraum vollends auf die Schnauze. Eine Glas-
tür führt in einen Garten voll niedlicher Laternen.
Am Himmel prangen Millionen von Perlen und die
Götter zählen trällernd die Wolken. Eine Nacht wie
diese ist wunderbar geeignet, sich einen Mistkerl
zum Dessert zu genehmigen.
Man sieht gleich, daß Eweghs Linke wieder im
Einsatz war: Alla Tej liegt am Boden und seine
rechte Gesichtshälfte ist nur noch Brei. Er kriecht röchelnd vorwärts, krallt sich an einem Heizkörper
fest, schafft es nicht, sich hochzuziehen …
Drei Wochen bin ich jetzt hinter ihm her. Ich ha-
be meine besten Spitzel und Späher auf ihn ange-
setzt. Und da haben wir ihn, fix und fertig, alle
viere von sich gestreckt, der leibhaftige Beweis
dafür, daß Moulana* [* Moulana (arab.) = „unser Herr(gott)“] tatsächlich existiert!
Ich nehme Anlauf und trete ihm kräftig ins
Kreuz. Alla rotiert zweimal um sich selbst und
landet an der Wand, den Mund aufgerissen zu ei-
nem Schrei, der nicht herauskommen will. Ich pa-
cke ihn so heftig bei den Haaren, daß es ihm schier das Genick bricht.
„Danke, mein Süßer, daß du mich so schön ver-
schaukelt hast. Wenn wir so weitermachen, habe
ich mich bis zur Pensionierung an den Schaukel-
stuhl gewöhnt!“
Wir schleifen ihn in die Toiletten am Ende des
Vorraums und schließen hinter uns die Tür. Alla
rappelt sich etwas auf, hält sich das Kreuz und
stöhnt. Seine Hand gleitet verstohlen hinunter zum
Messer, das in seiner Socke versteckt ist. Meine
43er setzt sich in Bewegung, der Schlag renkt ihm
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die Schulter aus. Um ihn davon abzuhalten, das
ganze Viertel zusammenzuschreien, hievt Ewegh
ihn an Kragen und Gürtel hoch, taucht seine Birne
ins Klo und betätigt die Wasserspülung.
„So wird er wieder klar im Kopf.“
Alla bricht auf dem Boden zusammen und kotzt,
was das Zeug hält, auf seine Knie. Ich setzte ihm
die Messerspitze an die Nase, ziehe sein Profil
nach, tippe ihm ans Kinn, kitzle ihn am Adamsap-
fel.
„Mit diesem ungesunden Eisen hast du Jo die
Gurgel durchgeschnitten.“
„Fahr zum Teufel!“
„Von dem komme ich gerade. Er läßt dich schön
grüßen. Verbluten werde ich dich lassen,
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