Commissaire-Llob 2 - Doppelweiß
du
Scheißkerl.“
Er mustert mich geringschätzig und spuckt mir
seinen blutigen Schleim ins Gesicht.
„Leck mich, du Hinterhofbulle. Du bist weiter
nichts als ein übereifriger Idiot.“ Dann hält er mir seine Kehle hin: „Na los, schneid mir die Gurgel
durch. Was ist? Traust du dich nicht? Versuchs
doch! Oder hast du Angst, ohnmächtig zu wer-
den?“
Ich wische die Spucke mit dem Taschentuch ab.
Meine Hand zittert nicht die Spur. Ich bin ganz
cool.
Ich sage zu Jak Stehauf: „Ich weiß was Besseres.
Wir zwei spielen jetzt Tausendundeine Nacht, o-
kay? Du bist die Scheherazade, ich der Sultan. Du
wirst mir alles über deine kleinen Freunde erzäh-
len, ihre Verstecke, ihre Pläne. Und Ewegh, der da
drüben steht, wird den Damokles spielen. Wenn du
68
nicht weiterredest, klopft er dir so lange auf den
Kopf, bis dir das Hirn zur Nase rausfließt. Wenn
du durchhältst, bekommst du Aufschub bis zur
nächsten Nacht. Na, wie gefällt dir das?“
Er räuspert sich, um mir erneut seine Verachtung
ins Gesicht zu spucken. Diesmal ist meine Hand
schneller als er, ich drücke ihm den Hals zu und
zwinge ihn, Gift und Galle wieder hinunterzu-
schlucken.
Wie alle indoktrinierten Brüllaffen – stark im
Chor und schlapp im Solo – fällt Jak Stehauf schon
nach den ersten Ohrfeigen um. Nicht daß meine
Methoden besonders überzeugend wären, nein,
aber die kleinen Giftkröten des lieben Gottes sind
einfach Weltmeister im Seitenwechsel. Sie drehen
ihr Mäntelchen so geschwind nach dem Wind, daß
die Haut auf ihrem Rücken schon ganz abgeschürft
ist.
Das Versteck, zu dem Alla Tej uns führt, befindet
sich im ersten Stock eines Stundenhotels in der
Rue Safir Balach. Die Gegend ist hoffnungslos
übervölkert. Riecht meilenweit im Umkreis nach
Moder und Schweiß. Man steht Schulter an Schul-
ter, so fällt man nicht um, doch mit Solidarität hat das nichts zu tun. Man könnte eine Stecknadel vom
Balkon werfen, sie käme nie auf dem Boden an.
Außerdem ist die Wäsche über der Straße so dicht
gehängt, daß die alten Leute Mühe haben, einen
Sonnenstrahl zu erhaschen, in dessen Schein sie
ihren Schemel rücken könnten.
Das Hotel gammelt in einer Sackgasse vor sich
hin und ist vom vielen Warten schon ganz schwarz.
69
Hier und da betteln verschleierte Nutten herum, die sich als Wahrsagerinnen tarnen, um keinen Anstoß
bei sensiblen Gemütern zu erregen. Zwei Zuhälter
lungern auf dem Gehweg, ein Auge auf die Herde
gerichtet, das andere im Nirwana. Einige Kunden
schleichen mit schlechtem Gewissen um die Ware,
bereit, sich zu verdrücken, sobald irgendwo ein
bekanntes Gesicht auftaucht.
Auf der Terrasse eines Cafés hält Lino seinen
Daumen hoch. Sein Zöpfchen hat er unter eine
Scheschia* [* Scheschia (auch Chechia geschrieben) =
traditionelle Kopfbedeckung, Fez] gestopft, und er ist in einen Kaftan geschlüpft, um von der Umgebung
nicht abzustechen; doch seinen Bullenschatten
wird er nicht los …
Ewegh geht vor, kontrolliert das Erdgeschoß und
kommt zurück, um mir von der Tür aus Feuer-
schutz zu geben. Ich stoße Jak Stehauf zur Rezep-
tion. Der Typ an der Kasse ist so enorm wie die
Sünde. Seine Pranken liegen auf der Theke, den
Stuhl hat er gegen die Wand gerückt, und er lacht
still vor sich hin, während er einen Comic von Slim überfliegt.
„Im Untergeschoß ist noch ein Zimmer frei“,
verkündet er ohne aufzusehen. „Fünf Scheine für
zwanzig Minuten. Gehandelt wird nicht. Man hebt
sich die Spucke für Wichtigeres auf.“
Endlich geruht er den Blick zu heben, läßt die
Augen von Alla zu mir springen, wie man von
Stock zu Stein zu springt:
„Und damit komme ich euch noch entgegen. Wir
sind hier kein Hospiz. Alte Leute lassen wir sonst
nicht rein.“
70
„Sieh an, und warum?“ frage ich ihn.
„Raten Sie mal. Bei Ihrem Alter, da steht man
doch mit einem Bein im Grab.“
„Und wenn ich mit beiden Beinen im Grab stün-
de, hätte ich noch immer ein drittes, um dir in den Arsch zu treten, du Trampeltier.“
Ich fege mit einem wütenden Hieb seine Pranken
vom Tresen und knalle ihm meinen Dienstausweis
in die Fresse.
„Den Schlüssel von Zimmer 13! Du gehst gefäl-
ligst vor.“
Ich habe ja schon so manchen Saustall gesehen,
damals, als ich als Mädchen für alles bei den Ju-
liens gejobbt habe, aber der in Zimmer 13 ist wirk-
lich was fürs Guinness-Buch der Rekorde. Hier
herrscht solch ein bestialischer Gestank, daß
Weitere Kostenlose Bücher