Commissaire-Llob 2 - Doppelweiß
einfach ist das. Entweder du
spielst mit oder du hast schon jetzt verspielt.“
Alla beschwichtigt ihn mit beiden Händen.
„Sachte, du Dampfwalze, du zerknitterst mir
noch meinen Hemdkragen. Mal sehen, was ich für
euch tun kann.“
„Und versuch ja nicht, klüger als wir zu sein!“
sagt Lino drohend.
Was bei Ben Hamid, dem Kneipier, nicht funktio-
niert hat, scheint mit Alla Tej zu klappen. Zwei
Minuten nach unserem Abgang hat der Beelzebub
vom Laden aus telefoniert. Man hat ihm wohl ge-
sagt, man würde zurückrufen, denn er hat sich auf
die Theke gesetzt und den Lebensmittelhändler
weggeschickt. Das Telefon läutet dreimal. Alla
rührt sich nicht. Eine Minute später hebt er nach
dem ersten Läuten ab. Nach dem Gespräch kehrt er
in seine Baracke zurück, zieht sich um und nimmt
vor dem hinteren Eisentor Stellung.
Gegen 23 Uhr taucht ein Renault ohne Lichter
auf, dreht eine Runde um den Platz und sammelt
ihn ein. Wir geben Gas und verfolgen sie mit gro-
ßem Abstand.
Zwei Kilometer unterhalb des Hügels umfährt
der Renault eine Polizeisperre und verliert sich in einem Vorort, dessen Schwärze sogar die kränkli-chen Lichter der Laternen aufsaugt. Wir setzen ihm
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quer über einen Bauhof nach, auf dem Massen von
Kränen und Eisengerüsten gen Himmel ragen, und
holen ihn an einem Square mit prächtigen brand-
neuen Palästen wieder ein …
Alla Tej und sein Fahrer bleiben eine gute Vier-
telstunde unter einer Mimose im Auto sitzen, ehe
sie sich entschließen auszusteigen. Sie gehen zwei
Gassen hinunter und betreten ohne Vorankündi-
gung eine Villa.
Wir warten eine Ewigkeit. Da immer noch nichts
passiert, beschließe ich, nach dem Rechten zu se-
hen. Ewegh schlägt sich allein durch eine Seiten-
straße. Lino und ich marschieren direkt auf die
Villa zu. Das Gittertörchen ist angelehnt. Ein mit
Marmor gepflasterter Weg führt uns zu einer Tür
aus massivem Eichenholz, die gleichfalls of-
fensteht. Ich knipse meine Taschenlampe an und
wage mich ins Innere der Behausung.
Wir kämmen alle Räume durch, Schlafzimmer,
Bad, Waschküche, sogar die Schränke. Die beiden
Gauner haben sich in Luft aufgelöst.
„Im Garten ist ein Pool“, informiert mich Ewegh,
der auch nichts entdeckt hat. „Vermutlich sind sie
da entlang getürmt.“
Wir machen kehrt. Im selben Moment, als wir am
Gartentörchen ankommen, werden wir förmlich
vom Blitz getroffen.
„Polizei!“ brüllt jemand. „Hände hoch und keine
Bewegung!“
„Nicht schießen!“ bettelt Lino kleinlaut. „Wir
sind Kollegen.“
„Ach du Scheiße!“ ruft Leutnant Charter und
kommt hinter einem Gefängniswagen hervor. „Was
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zum Teufel tut ihr denn hier? Wir hätten euch fast
umgelegt!“
„Ich hab schon Netzhautablösung!“ ruf ich ihm
zu, buchstäblich geblendet von den Scheinwerfern.
Leutnant Charter befiehlt seinen Leuten, ihre
Schießeisen wieder zu sichern. Da ich nichts sehe,
hakt er mich unter und hilft mir voran.
„Ein anonymer Anrufer hat uns auf die verdäch-
tige Anwesenheit von drei bewaffneten Männern in
der Rue Baya Dahro, Hausnummer 16, hingewie-
sen. Zum Glück hat Lino Laut gegeben, sonst hät-
ten wir euch glatt für Terroristen gehalten.“
Ich bemerke zu Lino: „Na, der Jak, das war kein
Hornochse.“
„Und wir, wir sind wie Ochsen vor dem Tor ge-
standen.“
Vom Renault fehlt jede Spur. Und von Jo, die im
Auto geblieben war, haben wir weiter nichts als
einen Schuh und einen Lippenstift auf der Straße
gefunden.
Am nächsten Morgen, Punkt acht, läßt Alla Tej mir
kaum Zeit, den Mantel abzulegen. Tosendes La-
chen am anderen Ende der Leitung.
„Na, wer von uns beiden ist denn nun der Idiot,
Llob? Wenn ich dich am Leben gelassen habe,
dann nur, damit du dir darüber mal klar wirst.“
„Wo ist Jo?“
„Du meinst die Nutte? In der Rue Baya Dahro
Nummer 16. Genau da, wo deine Kumpels euch
fast umgelegt hätten, euch drei. Und noch was,
Idiot: Sag deinem bekloppten Dinosaurier, daß
auch wir weder Geschenke noch Gefangene ma-
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chen.“
Der Himmel ist leuchtend blau. Nach den Regen-
güssen vom Vorabend glänzt das Grün der Blätter
wie frisch angemalt. In den reglosen Bäumen zwit-
schern die Vögel. Alles ist friedlich im Haus
Nummer 16 in der Rue Baya Dahro. Überall Ruhe
und Heiterkeit. Auf der Liege am Rand des Swim-
mingpools, im Schatten eines Sonnenschirms, der
gestern abend noch nicht da stand, scheint Jo zu
träumen
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