Commissaire-Llob 2 - Doppelweiß
ich,
als ich das Licht anknipse, befürchte, es fliegt
gleich alles in die Luft.
„Wer macht hier eigentlich sauber?“
„Der Mieter.“
„Hat er für den ganzen Monat gemietet?“
„Er hat für ein Vierteljahr im voraus bezahlt, aber er ist selten da.“
Ich zeige ihm das Foto von Mérouane Sid Ahmed
alias TNT.
„Ja, das ist er!“
„Hat er allein hier gelebt?“
„Mit einem Mädchen.“
„Wo können wir die finden?“
„Keine Ahnung.“
„Eine, die hier arbeitet?“
„Kein Mensch in unserem Team kennt die. Hat
eine Warze auf der Nase, die sie als Schönheits-
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fleck verkauft. Sie ist unverwechselbar: ein Bau-
ernschrank mit roter Perücke und falschen Wim-
pern, die dir beim ersten Kuß ins Auge stechen.“
„Weißt du, wer das sein könnte?“ frage ich Jak
Stehauf.
„Die heißt Brigitte.“
„Französin?“
„Nicht direkt. Sie wird so genannt, weil sie einem
Frachter ähnelt, der Brigitte heißt.“
Ich schicke den Typen von der Rezeption in sei-
nen Käfig zurück und mache mich daran, das Cha-
os zu durchwühlen. Stinkende Schuhe, eklige Kla-
motten, ein kaputter Revolver, Anleitungen zum
Bombenbasteln, eine Stange Dynamit … In einer
Schublade stoße ich auf eine Mappe. Darin Fotos
von Athmane Mamar, seinem Hund, seinem Haus
und außerdem ein Lageplan seines Betriebs.
Während ich ihm den Rücken zukehre, nimmt
Alla Tej die Beine in die Hand und flüchtet über
den Gang. Das bringt mich nicht eine Sekunde aus
der Fassung. Mit einem Mal bricht der Laufschritt
ab, und sofort folgt ein Aufknall.
„Ich hoffe nur, du hast ihn nicht totgemacht“,
brumme ich, während ich weiter unter dem Bett
herumsuche.
„Ich hab’s nicht überprüft!“ tönt Eweghs Stimme
aus den Tiefen des Gangs.
Eines ist gewiß: wenn Alla sich weiterhin darauf
versteift, uns so häufig zu entwischen, ist sein Gesicht über kurz oder lang so platt wie ein Bügel-
brett.
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Athmane Mamar sitzt zur Abwechslung im Roll-
stuhl, direkt vor dem Fenster, seine Gliedmaßen
sind mit Merkurochrom-Tinktur bepinselt, sein
mondförmiges Gesicht mit Schorf und Grind über-
zogen. Er dämmert vor sich hin, ähnlich einem
weltvergessenen Einsiedler. Er dreht sich nicht um, als er hört, wie sich die Zimmertür öffnet.
„Hallo, Ramses. Ich habe dir Pariser Konfekt
mitgebracht.“
Ich stelle eine Tüte mit Süßigkeiten auf dem
Nachttisch ab und lege ihm eine mitfühlende Hand
auf die Schulter, was ihn vor Schmerz hochfahren
läßt.
„Pardon.“
„Halb so wild. Ich gewöhne mich allmählich an
mein Nessusgewand.“
„Ist das aus Brennesseln?“
Jetzt rollt er herum und ich sehe sein Gesicht, ei-
ne Kamee von einem Violett, daß einem die
Schamhaare zu Berge stehen.
„Die Schwester findet, daß meine Physiognomie
der Weltkugel ähnelt“, tröstet er sich über sein Geschick hinweg.
„Sehr liebenswürdig von der Schwester.“
Sein klägliches Lächeln franst nach und nach aus,
und er umklammert mit den Händen seine Knie,
wobei sich seine Gelenke milchig verfärben.
Ich ziehe Fotos und Skizze aus meinem Mantel
und breite alles auf dem Bett aus.
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„Das habe ich bei einem Bombenleger gefunden,
dem wir die Mehrzahl aller Bombenattentate in
Algier verdanken. Ein gewisser Mérouane Sid
Ahmed, genannt TNT.“
Athmane wendet mühsam den Hals um hinzu-
schauen, erkennt den Lageplan und fällt in den
Stuhl zurück.
„Was genau willst du von mir, Llob?“
„Du hast mich angeschwindelt. Der Brand in dei-
nem Betrieb, das war kein Kurzschluß.“
„Das geht dich gar nichts an. Ich bin gegen die
geimpft, ich komm alleine klar.“
Ich sammle alles wieder ein, lege es sorgsam zu-
sammen und verstaue es in der Innentasche meines
Mantels.
„Ich habe mich heut früh mit deiner Alten unter-
halten. War nicht gut drauf, stell dir vor. Hat mir erzählt, daß du in letzter Zeit jede Menge Anrufe
gekriegt hast, daß du nicht gerade glücklich gewe-
sen bist, wenn du wieder aufgelegt hast, und es in
letzter Zeit deine Lieblingsbeschäftigung war, hin-
ter deiner Gardine auf der Lauer zu liegen. Vor
wem hast du Angst?“
Er begnügt sich damit, auf die Scheibe zu starren.
Ich baue mich zwischen ihm und dem Tageslicht
auf. Es irritiert ihn, daß ich nicht durchsichtig bin.
Er rollt zur Seite und starrt erneut auf die Gebäude jenseits der Straße.
„Sie hat sich auch an Ben Ouda erinnert. War ein
Kumpel von dir.“
„Damals hatte ich Kumpel
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