Commissaire-Llob 2 - Doppelweiß
Wänden, die Ohren haben, zu tun,
als mit Satelliten.“
Er mustert uns von Kopf bis Fuß und murmelt:
„Für Leute von der Polizei sind Sie enttäuschend.
Ihre Manieren stehen denen Ihrer Delinquenten in
nichts nach.“
Wir schieben ihn vorwärts in einen Salon, der
doppelt so groß ist wie meine Dreizimmerwoh-
nung. Mit Todesverachtung weist er uns Sofas an,
stellt sich auf die Zehenspitzen, um eine Hinterba-
cke auf die Armlehne eines Sessels zu stützen, und
stemmt seine Puppenfinger in die Hüften.
„Beeilen Sie sich, mein Bad wartet.“
Ewegh bleibt im Türrahmen stehen und blickt so
ausdruckslos drein wie ein Walfisch.
Ich lasse meinen Blick seelenruhig über das
Sammelsurium aus Gemälden und Möbelstücken
wandern, mit denen der Raum vollgestopft ist. Die-
ser Reichtum, der aus dem Nichts kommt, verführt
zu allem und nichts.
„Gewisse Lästerzungen wissen zu berichten, daß
Ben Ouda und Sie sehr enge Freunde waren.“
„Waren wir auch.“
„Und diese Leute begreifen nicht, warum Sie
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nicht auf seiner Beerdigung waren.“
„Ich war zur Behandlung eines Tumors in Paris.“
„Dieselben Lästerzungen behaupten außerdem,
daß Sie gewissermaßen sein wichtigster Vertrauter
waren.“
„So ist es.“
„Er hat Ihnen sicherlich von der Drohung erzählt,
die über ihm schwebte.“
Er legt seinen Finger an die Wange, frei nach
Rodins Denker, sinniert eine Weile und erhebt sich.
„Inspektor …“
„Kommissar.“
„Nun denn, Kommissar, die Lästerzungen zerrei-
ßen sich gerne das Maul, aber leider erklären sie
dabei nicht viel. Doch das ist wohl auch nicht ihre Berufung. Ben Ouda war in letzter Zeit nicht mehr
ganz für voll zu nehmen. Er hatte sich total darauf versteift, Geschäfte zu machen. Er hat seine sämtlichen Ressourcen, auch seine geistigen, aufs Spiel gesetzt. Und sein Bankrott riß alles mit sich fort. Er bekam tiefe Depressionen. Er war überzeugt, ge-linkt worden zu sein. Ben war ein unvergleichli-
cher Diplomat, doch in Geschäftsdingen eine Nie-
te. Er weigerte sich, sein finanzielles Debakel zur Kenntnis zu nehmen, und suchte seinen Teilhabern
die Schuld zuzuschieben. Er war nicht mehr wie-
derzuerkennen.“
„Kein Wunder, er war enttäuscht. Seine Kumpel
haben ihn ungerührt den Bach runtergehen lassen.“
„Stimmt nicht. Ben hat das Ganze nur nicht weg-
stecken können. Er sah überall nur noch Feinde.“
„Das war also der Grund, warum er sich rächen
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wollte?“
„Wie bitte?“
„Ben hatte vor, ein kompromittierendes Buch zu
schreiben.“
Abderrahmane setzt sich wieder hin, diesmal auf
einen Glastisch mir gegenüber. Er wirkt entspannt.
„Das waren ganz bewußte Verleumdungen,
Kommissar. Er suchte eine Menge Journalisten auf
und redete ihnen ein, er wäre im Besitz des Jahr-
hundertdokuments. Weil er es nicht verkraften
konnte, sein Geld falsch angelegt zu haben, goß er
Kübel von Mist über denen aus, die da reüssiert
hatten, wo er gescheitert war.“
„Und doch ist irgendwer dabei in Panik geraten.
Sonst hätte man ihn ja wohl kaum umgelegt und
seinen Tresor leergeräumt.“
Der Gnom zuckt mit keiner Wimper. Er mustert
mich amüsiert, dann formt er aus Daumen und
Zeigefinger ein Loch und pustet hindurch: „Alles
nur Bluff …“
„Professor Abad glaubte ihm jedenfalls. Er hat
sogar eingewilligt, mit ihm zusammenzuarbeiten.“
„Ich bin am Anfang auch drauf reingefallen. Ich
bat ihn, Beweise vorzulegen. Ben redete jedesmal
nur darum herum. Mit der Zeit begriff ich, daß es
nichts zu beweisen gab. Ben hatte mir ja nie das
Geringste verheimlicht.“
Ich zücke eine Karteikarte, auf die ich in Riesen-
lettern HIV gemalt habe. Er liest es, ohne nur einmal zusammenzuzucken, schiebt die Lippen vor
und bemerkt:
„Wenn Sie diese Buchstaben in Ihrem Kranken-
bericht gefunden haben, Kommissar, dann gute
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Nacht!“
„Ich habe sie woanders gefunden, auf einer Trep-
penstufe neben der Leiche von Professor Abad.“
„Keine Ahnung, was das zu bedeuten hat.“
„Nicht die geringste Idee?“
„Ich muß leider passen.“
Wieder im Auto, während wir Richtung Bab el
Oued den Hügel hinabrollen, frage ich Ewegh, was
er von der Vorführung des Krösus hält.
Der Targi mummelt: „Der hat seine Lektion gut
gelernt.“
„Das Gefühl habe ich auch.“
„Ich muß dringend meine rituellen Waschungen
machen“, jammert Lino, eine Arschbacke auf mei-
ne Schreibtischkante gestützt.
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