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Commissaire-Llob 2 - Doppelweiß

Commissaire-Llob 2 - Doppelweiß

Titel: Commissaire-Llob 2 - Doppelweiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
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    „Vielen Dank, Hadsch* [* arabisch: eigtl. Mekkapil-ger; generell respektvolle Anrede für ältere Männer] , Sie haben uns sehr geholfen.“
    Der Brigadier faßt ihn am Ellenbogen und bug-
    siert ihn entschieden zur Tür hinaus.

    Ehe ich auch nur einen Fingerabdruck auf meiner
    Kaffeetasse anbringen kann, bittet mich der Boß
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    schon in seinen Elfenbeinturm. Als ich eintrete,
    steht er am Fenster, die Hände auf dem Rücken
    verschränkt, und ist ganz in die Betrachtung der
    Bucht von Algier versunken. Auch der liebe Bliss
    ist zur Stelle. Da wird mir klar, daß ich nicht her-beizitiert wurde, um einen Orden in Empfang zu
    nehmen.
    Ich verharre eine Ewigkeit in Habtachtstellung.
    Da mein ausgeprägter Sinn für Disziplin nieman-
    den zu interessieren scheint, hüstle ich diskret in die Faust, um die Aufmerksamkeit unseres Direktors zu erregen. Statt seiner reagiert sein dienstbarer Geist: „Psst! Er denkt gerade nach!“
    „Wie bitte?“
    Bliss erstarrt und wiederholt im Flüsterton: „Der
    Herr Direktor denkt gerade nach.“
    Ich beuge mich über seine Schulter und beginne
    ebenfalls zu wispern: „Wie unangenehm. Er wird
    noch sein letztes Gramm Hirnschmalz aufzehren,
    und dann wird er nichts mehr anstellen können.“
    Bliss grinst hämisch und bringt sein Nagetierface
    vor meinem Atem in Sicherheit.
    „Deine Zunge wird dich eines Tages um Leib
    und Leben bringen, Llob.“
    „Aber wenigstens nicht um Leib und Seele, Me-
    phisto. Was hast du ihm alles über mich aufge-
    tischt? Er wirkt ziemlich aufgebracht.“
    „Er trauert noch um Jo. Ziemlich mies, sie so im
    Stich gelassen zu haben.“
    Meine Hand fährt ihm an die Gurgel.
    „Schluß jetzt!“ schnarrt der Boss und schnellt
    herum. Sein Gesicht ist aschfahl. Im ersten Mo-
    ment denke ich, sein Gebiß springt heraus, um

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    nach mir zu schnappen. Doch er rührt sich nicht
    vom Fenster, wirft mir statt dessen einen finsteren Blick zu und winkt erschöpft ab: „Euer Hickhack
    ermüdet mich.“
    Bliss senkt zerknirscht den Blick. Der Direx läßt
    sich auf seinen Thron fallen, bringt ihn mit einem
    Hüftschwung zum Kreiseln und sieht mich schief
    an.
    „Hast du heute früh den Tagesbericht gelesen?
    Ein Team vom Geheimdienst hat den Schlupfwin-
    kel von Mérouane TNT ausgemacht. Der Schwei-
    nehund hatte an sämtlichen Zugängen Sprengla-
    dungen angebracht. Kaum haben sie den ersten
    Fenstergriff angerührt, ist der ganze Laden in die
    Luft geflogen. Bilanz: drei Bombenspezialisten auf
    der Bahre, ein Gutteil der Straße unter Trümmern.“
    Er erhebt sich, schlendert erneut zu seinem Aus-
    sichtsposten, dann zu mir herüber.
    „Drei Monate trittst du schon auf der Stelle,
    Kommissar. Unterdessen begraben wir einen Toten
    nach dem anderen.“
    „Ich tue, was ich kann.“
    „Das ist nicht genug.“
    „Ich kann nicht mehr tun, als die Mittel, die man
    mir an die Hand gibt, zu tun gestatten.“
    Seine Lippen schürzen sich, seine Pupillen be-
    ginnen gefährlich zu glühen: „Was du da unter-
    stellst, ist einfach lächerlich.“
    Bliss beobachtet mich scharf durch seine zusam-
    mengekniffenen Lider hindurch. Sich seiner ver-
    teufelten Raffinesse sehr wohl bewußt, erdreistet er sich: „Das liegt in seiner Natur, Herr Direktor.
    Immer, wenn er in der Klemme steckt, denkt er
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    sich eine Ausflucht aus … Dein Problem kommt
    daher, Llob, daß deine psychologischen Fähigkei-
    ten zu wünschen übriglassen. Nicht daß Gaïds
    Bande unauffindbar wäre, doch deine Methode, sie
    aufzuspüren, bringt’s einfach nicht. Von Anfang an
    habe ich Herrn Direktor gesagt, daß du die Angel
    nach dem Hecht in einer Pfütze auswirfst. Bei je-
    dem anderen hätte ich mich schon längst einge-
    schaltet, aber dein Hochmut hat mich davon ab-
    gehalten.“
    „Weißt du eigentlich, was ich von dir halte, Bliss
    Nahs?“
    Er unterbricht mich mit einer Geste, steht lang-
    sam auf, rückt seine Krawatte zurecht, streicht das Vorderteil seiner Jacke glatt, streckt sich auf die Zehenspitzen. Pech für ihn, daß sein Kopf nicht
    über meine Gürtelschnalle hinausreicht.
    „Ich weiß, was du von mir hältst, aber es bereitet
    mir keine schlaflosen Nächte.“
    Er nähert sich dem Schreibtisch des Direktors
    und schiebt mir ein Buch hin.
    „Hier haben wir vermutlich eines der Motive für
    den Mord. Ben Oudas jüngstes Werk: Traum und
    Utopie. Ich habe es zweimal gelesen. Der Herr Direktor und ich sind überzeugt, daß …“
    „Ich hab’s auch gelesen.

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