Commissaire-Llob 2 - Doppelweiß
„Kaak ist eine wan-
delnde Jauchegrube.“
Da seine Metapher mir nichts sagt, wischt er sich
die Hände an den Knien ab und fügt hinzu:
„Ich habe die Archive durchforstet. Seine Akte
quillt über vor Schmutz. 1976 jobbt er als Kassie-
rer in einem Vorortkino. Brennt mit der Kasse
durch. Ein Jahr Knast. 1981 macht er einen Fern-
seh-Reparatur-Service auf. Ein Jahr Knast wegen
Einbruch. 1985 ist er Vertragshändler der Sonaco-
me* [* staatlicher algerischer Automobilhersteller, der das Monopol auf Ersatzteile hat] . Wird verhaftet wegen Schwarzhandels mit Ersatzteilen. Das Verfahren
gegen ihn wird eingestellt. 1989 ist er Geschäfts-
führer von Raha, einem Hotel an der Küstenstraße.
Wird verhaftet wegen Anstiftung zur Unzucht. Das
Verfahren gegen ihn wird eingestellt. 1991 gründet
er Afak-Import-Export. Wird verhaftet wegen Im-
103
ports verdorbener Lebensmittel. Das Verfahren
wird eingestellt. 1993 zählt seine Raha-Gruppe
fünf Hotels, drei Fünf-Sterne-Restaurants und drei
Fastfood-Läden.“
„Und das alles hat er aus der Kinokasse finan-
ziert?“
„Njet. Sein himmlisches Manna begann 1983 zu
fließen. Da stieß er auf einen gewissen Dahmane
Faïd. Dem dient er als Strohmann.“
„Sein IQ?“
„Könnte keine Nachrichtensendung von einem
Werbespot unterscheiden.“
„Das erklärt noch nicht, wie er Ben Oudas
Freund werden konnte.“
„Der Diplomat war häufiger Gast in den Raha-
Hotels. Damals waren die Pagen nicht nur zum
Koffertragen da.“
Mit meinem Holzlineal stupse ich die Arschba-
cke von meinem Schreibtisch herunter, denn der
Leutnant beginnt, mir Schatten zu machen. Lino
läßt sich in den Sessel fallen, sein Kopf verschwindet zur Hälfte hinter dem Telefon.
„Der weiß bestimmt so manches, Kommy. Den
dürfen wir uns nicht entgehen lassen.“
Ich lehne mich weit zurück und lege die Füße auf
den Schreibtisch. Die Risse an der Zimmerdecke
bringen mich aus dem Konzept. Ich schließe die
Augen, um besser nachdenken zu können.
Am Nachmittag fahre ich nochmals zu Abder-
rahmane Kaak. Er hat seine Tür schon repariert
und sorgt eilends für ihre Sicherheit, sobald unser Auto vor seinem Gartentor hält.
„Haben Sie etwas vergessen, Kommissar?“
104
„Möglich.“
„Ich erwarte Besuch.“
„Eine Zwergin?“
„Jemanden, der sehr viel größer ist.“
„Und wo haben Sie Ihren Hocker versteckt?“
Er errötet bis ins Weiße vom Auge hinein.
„Spielen Sie keine Spielchen mit mir, Kommis-
sar. Ich kenne meine Rechte und Ihre Grenzen.
Wenn Sie keinen Durchsuchungsbefehl haben,
können Sie gleich wieder gehen.“
„Wer einen Schaufelbagger hat, braucht keinen
Durchsuchungsbefehl.“
Er bläst die Backen auf und weicht zurück.
„In welch einem beschissenen Land leben wir ei-
gentlich, verdammt noch mal?“ mault er und geht
uns voraus.
„Die Lästerzungen haben sich von Ihrer gestrigen
Vorstellung nicht überzeugen lassen, Monsieur
Kaak. Ich auch nicht. Ich werde Ihnen meine Ver-
sion der Fakten geben und Sie korrigieren mich,
wo ich mich irre: Ben Ouda hat nicht geblufft. Ich
habe ihn ein paar Tage vor seinem Tod getroffen.
Er machte nicht den Eindruck, ungereimtes Zeug
zu reden. Er hatte den Finger in der Tat auf ein
tolles Ding gelegt. Eine Diskette. Sein Problem
war, daß er nichts für sich behalten konnte. Er
suchte seinen großen Intimus auf, und das war der
Anfang vom Ende.“
Abderrahmane Kaak beginnt zu zittern und zu
beben. Seine Kinnmuskeln verkrampfen sich und
seine Fäuste dazu. Er starrt erst Ewegh und dann
Lino an, macht einen Schritt vor und drückt mir
seinen Finger in den Bauch.
105
„Hinaus mit Ihnen, Kommissar. Ich habe genug
von Ihnen.“
„Monsieur Kaak, wer lügt, lügt doch nicht ohne
Grund. Ich habe das überprüft. Sie waren gar nicht
in Paris, weder um einen Tumor behandeln zu las-
sen, noch um sich Stöckelschuhe anzuschaffen. Sie
waren nicht auf der Beerdigung Ihres Busenfreun-
des, weil er Ihnen das nicht wert war … Sie ganz
allein haben ihn verraten.“
„Sie reden Unsinn, Kommissar. Ben war mein
bester Freund.“
„Was wissen Sie schon von Freundschaft, Mon-
sieur Kaak? Eine glückselig gurrende Komplizen-
schaft in den Abgründen eines rosa Schlafzim-
mers? Ein paar nette Scharaden, solange alles in
Butter ist …? Ben Ouda war von dem Moment an
nicht mehr Ihr Busenfreund, als er begann, in Ihren Jagdgründen zu schnüffeln. Vielleicht ahnte er
nicht,
Weitere Kostenlose Bücher