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Commissaire-Llob 2 - Doppelweiß

Commissaire-Llob 2 - Doppelweiß

Titel: Commissaire-Llob 2 - Doppelweiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
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daß Sie genauso korrupt wie alle anderen
    waren und man, wenn man den Hai bedroht, auch
    den Schwarm der kleinen Fische um ihn herum
    gefährdet.“
    „Ich ersuche Sie noch einmal zu gehen!“
    „Was ist denn hier los?“ überrascht uns eine e-
    nergische Stimme. „Man kann euch ja auf der
    Straße hören!“
    Dahmane Faïd steht im Vorraum, nebst Rot-
    schopf und noch zwei Gorillas, die so häßlich sind, daß man meinen könnte, sie seien eben erst von
    ihren Bäumen geplumpst. Eisige Stille erfüllt den
    Salon. Bevor ich mich ganz dem Milliardär zu-
    wende, füsiliere ich mit bösen Blicken meine Män-
    ner, die sich derart haben überrumpeln lassen.
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    „Sieh an, Derrick. Was machen Sie denn so weit
    von Ihrem Ghetto entfernt?“
    „Meine Kreise ziehen.“
    „Sie sollten lieber Leine ziehen. Sie sind hier in
    einer Nobelgegend. Eheszenen und Kräche sind
    hier tabu. Wer hier lebt, hat für Marktschreierei
    und Volksaufläufe schon lange nichts mehr übrig.“
    Abderrahmane fällt ein Stein vom Herzen. Er
    schubst mich beiseite und eilt seinem Erlöser ent-
    gegen. Der Milliardär bremst ihn mit einem Blick
    und schnippt kurz mit dem Finger, damit er die
    Klappe hält.
    „Eine unschöne Sache, unbescholtene Bürger zu
    drangsalieren, Kommissar. Die Polizei hat doch
    wirklich Besseres zu tun. Sie wird dafür bezahlt,
    daß sie uns den Fundamentalismus vom Hals
    schafft. Statt hier ihre Muskeln spielen zu lassen, sollten Sie lieber die Widerstandsnester der Terroristen ausheben … Und jetzt entschuldigen Sie uns,
    Monsieur Abderrahmane und ich haben zu arbei-
    ten.“
    Ich weiß nicht, wieso, doch plötzlich finde ich
    keine Worte mehr.
    Dahmane läßt seine Gebetskette in einem fort
    durch seine Finger gleiten, mit gierigem Lächeln
    und glasigem Blick. Hinter ihm scharren seine
    Schergen schon mit den Hufen, lauern nur auf ein
    Zeichen von ihm, um uns zu verschlingen.
    Ich sage: „Wen wollen Sie mit Ihrer Gebetskette
    eigentlich zügeln, Monsieur Faïd?“
    „Die Lust, auf Sie loszugehen!“
    „Das ist doch Schnee von gestern. Sehen Sie mal
    aus dem Fenster. Die Welt ändert sich rasend

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    schnell. Das Gesetz steht wie Phönix aus der Asche
    auf. Noch ein falsches Wort, und ich loche Sie ein
    wie einen gewöhnlichen Strolch.“
    Rotschopf setzt zum Ausfall an. Darauf hat E-
    wegh nur gewartet. Seine Fäuste tänzeln leiden-
    schaftlich los. Ich habe das Gefühl, wenn es ums
    Zuschlagen geht, könnten sämtliche Stricke der
    Welt sie nicht halten. Rotschopf glaubt zunächst an einen Zusammenstoß auf der Autobahn, dann realisiert er, daß es das doch nicht war, und geht so
    schnell wie eine alte Tapete zu Boden. Die Pranken
    der zwei Gorillas schweben reglos in der Luft,
    zwei Millimeter von ihren Knarren entfernt, so
    geschockt sind sie von der Kanone, die der verblüf-
    fend heldenhafte Lino den beiden vor die Nase
    hält.
    Dahmane Faïd wiehert drauflos, nicht die Spur
    beeindruckt ist er.
    Ich trete vor, um ihm aus nächster Nähe die Stirn
    zu bieten: „Sie sind bestenfalls ein gutartiges Ge-
    schwür, Monsieur Faïd.“
    „Ihr Labor liefert schlechte Analysen.“
    „Denke kaum. Noch was: ich habe einen Horror
    vor falscher Frömmigkeit.“
    „Kommen Sie mit meiner Gebetskette nicht
    klar?“
    „So ist es.“
    Von neuem läßt er sie durch die Finger gleiten.
    Er lacht höhnisch auf: „Ich versichere Ihnen, ich
    bin ein gläubiger Mensch.“
    Mit einer Kopfbewegung weise ich meine Män-
    ner zum Rückzug an.
    Dahmane Faïd verfolgt mich mit seinem Sarkas-
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    mus:
    „Heh, Derrick! Warum zweifeln Sie an meinen
    Worten? Ich bin gläubig. Mein Glaube ist so echt
    wie meine Gebetskette. Sag es ihm, Abder, daß ich
    gläubig bin.“ Er bricht in polterndes Gelächter aus.
    „Derrick, nicht Gott ist es, der den Menschen nach
    seinem Bilde erschafft. Die Natur will, daß jeder
    seinen eigenen Gott inkarniert. Mir ist es gleich, ob meiner einen Bart von der Länge mehrerer Lichtjahre hat oder grauenhafte Hörner auf dem Schä-
    del. Alles, was zählt, ist, daß man an ihn glaubt …
    Heh! Derrick …“
    Ich mache auf der Stelle kehrt, bin mir jeder mei-
    ner Bewegungen bewußt und gesegnet durch jeden
    Tropfen Schweiß auf meiner Stirn. Ich fühle mich
    um dreißig Jahre zurückversetzt, in die Zeit, da
    meine Brust vor Slogans überquoll und ich mich
    im Morgenlicht wie betört anschickte, die Welt zu
    erobern. Schlagartig lösen sich die Kinderschrecks
    auf, ihre Allmacht erblaßt,

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