Commissaire-Llob 2 - Doppelweiß
daß Sie genauso korrupt wie alle anderen
waren und man, wenn man den Hai bedroht, auch
den Schwarm der kleinen Fische um ihn herum
gefährdet.“
„Ich ersuche Sie noch einmal zu gehen!“
„Was ist denn hier los?“ überrascht uns eine e-
nergische Stimme. „Man kann euch ja auf der
Straße hören!“
Dahmane Faïd steht im Vorraum, nebst Rot-
schopf und noch zwei Gorillas, die so häßlich sind, daß man meinen könnte, sie seien eben erst von
ihren Bäumen geplumpst. Eisige Stille erfüllt den
Salon. Bevor ich mich ganz dem Milliardär zu-
wende, füsiliere ich mit bösen Blicken meine Män-
ner, die sich derart haben überrumpeln lassen.
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„Sieh an, Derrick. Was machen Sie denn so weit
von Ihrem Ghetto entfernt?“
„Meine Kreise ziehen.“
„Sie sollten lieber Leine ziehen. Sie sind hier in
einer Nobelgegend. Eheszenen und Kräche sind
hier tabu. Wer hier lebt, hat für Marktschreierei
und Volksaufläufe schon lange nichts mehr übrig.“
Abderrahmane fällt ein Stein vom Herzen. Er
schubst mich beiseite und eilt seinem Erlöser ent-
gegen. Der Milliardär bremst ihn mit einem Blick
und schnippt kurz mit dem Finger, damit er die
Klappe hält.
„Eine unschöne Sache, unbescholtene Bürger zu
drangsalieren, Kommissar. Die Polizei hat doch
wirklich Besseres zu tun. Sie wird dafür bezahlt,
daß sie uns den Fundamentalismus vom Hals
schafft. Statt hier ihre Muskeln spielen zu lassen, sollten Sie lieber die Widerstandsnester der Terroristen ausheben … Und jetzt entschuldigen Sie uns,
Monsieur Abderrahmane und ich haben zu arbei-
ten.“
Ich weiß nicht, wieso, doch plötzlich finde ich
keine Worte mehr.
Dahmane läßt seine Gebetskette in einem fort
durch seine Finger gleiten, mit gierigem Lächeln
und glasigem Blick. Hinter ihm scharren seine
Schergen schon mit den Hufen, lauern nur auf ein
Zeichen von ihm, um uns zu verschlingen.
Ich sage: „Wen wollen Sie mit Ihrer Gebetskette
eigentlich zügeln, Monsieur Faïd?“
„Die Lust, auf Sie loszugehen!“
„Das ist doch Schnee von gestern. Sehen Sie mal
aus dem Fenster. Die Welt ändert sich rasend
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schnell. Das Gesetz steht wie Phönix aus der Asche
auf. Noch ein falsches Wort, und ich loche Sie ein
wie einen gewöhnlichen Strolch.“
Rotschopf setzt zum Ausfall an. Darauf hat E-
wegh nur gewartet. Seine Fäuste tänzeln leiden-
schaftlich los. Ich habe das Gefühl, wenn es ums
Zuschlagen geht, könnten sämtliche Stricke der
Welt sie nicht halten. Rotschopf glaubt zunächst an einen Zusammenstoß auf der Autobahn, dann realisiert er, daß es das doch nicht war, und geht so
schnell wie eine alte Tapete zu Boden. Die Pranken
der zwei Gorillas schweben reglos in der Luft,
zwei Millimeter von ihren Knarren entfernt, so
geschockt sind sie von der Kanone, die der verblüf-
fend heldenhafte Lino den beiden vor die Nase
hält.
Dahmane Faïd wiehert drauflos, nicht die Spur
beeindruckt ist er.
Ich trete vor, um ihm aus nächster Nähe die Stirn
zu bieten: „Sie sind bestenfalls ein gutartiges Ge-
schwür, Monsieur Faïd.“
„Ihr Labor liefert schlechte Analysen.“
„Denke kaum. Noch was: ich habe einen Horror
vor falscher Frömmigkeit.“
„Kommen Sie mit meiner Gebetskette nicht
klar?“
„So ist es.“
Von neuem läßt er sie durch die Finger gleiten.
Er lacht höhnisch auf: „Ich versichere Ihnen, ich
bin ein gläubiger Mensch.“
Mit einer Kopfbewegung weise ich meine Män-
ner zum Rückzug an.
Dahmane Faïd verfolgt mich mit seinem Sarkas-
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mus:
„Heh, Derrick! Warum zweifeln Sie an meinen
Worten? Ich bin gläubig. Mein Glaube ist so echt
wie meine Gebetskette. Sag es ihm, Abder, daß ich
gläubig bin.“ Er bricht in polterndes Gelächter aus.
„Derrick, nicht Gott ist es, der den Menschen nach
seinem Bilde erschafft. Die Natur will, daß jeder
seinen eigenen Gott inkarniert. Mir ist es gleich, ob meiner einen Bart von der Länge mehrerer Lichtjahre hat oder grauenhafte Hörner auf dem Schä-
del. Alles, was zählt, ist, daß man an ihn glaubt …
Heh! Derrick …“
Ich mache auf der Stelle kehrt, bin mir jeder mei-
ner Bewegungen bewußt und gesegnet durch jeden
Tropfen Schweiß auf meiner Stirn. Ich fühle mich
um dreißig Jahre zurückversetzt, in die Zeit, da
meine Brust vor Slogans überquoll und ich mich
im Morgenlicht wie betört anschickte, die Welt zu
erobern. Schlagartig lösen sich die Kinderschrecks
auf, ihre Allmacht erblaßt,
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