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Commissaire-Llob 2 - Doppelweiß

Commissaire-Llob 2 - Doppelweiß

Titel: Commissaire-Llob 2 - Doppelweiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
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wäre.“
    Seine Hand umklammert mein Handgelenk, gibt
    es gleich wieder frei. Er wiegt gemächlich den
    Kopf hin und her: „Überall nur Fragezeichen, mein
    lieber Llob. Die Aussichten zu überleben sind in
    jedem Schlangennest besser als in unserem Land.
    Aber ob man nun schweigt oder das Maul weit
    aufreißt, unsere Gesinnung ist es nicht, die die da handeln läßt.“
    „Ich weiß.“
    „Warum also schweigen?“
    Er sieht mir voll ins Gesicht. Seine Aufrichtigkeit erschreckt mich. Die Verzweiflung der Großen –
    das ist wie ein Weltuntergang.
    „Unser Land braucht weder Propheten noch ei-
    nen Präsidenten. Es braucht einen Exorzisten.
    Denken Sie in Ruhe nach, Monsieur Llob, lassen
    Sie sich Zeit …“
    Ich strecke ihm brüsk die Hand hin: „Auf Wie-
    dersehen, Monsieur Ouda.“
    Er zögert, ehe er mir die seine reicht. „War mir
    ein Vergnügen, Sie kennenzulernen, Kommissar.“
    Er begleitet mich zum Treppenabsatz und ruft
    den Aufzug. „Das Chaos bei uns ist wie trübes
    Wasser, in dem die Mörderhaie ungestört ihre
    Kreise ziehen. Dieses grauenvolle Spektakel dauert
    schon viel zu lange. Ich muß so schnell wie mög-
    lich Gewißheit haben, wie Sie entscheiden, Kom-

    15
    missar.“
    „Das werden Sie auch, versprochen.“
    Da kommt der Aufzug. Ben hindert ihn daran,
    mich zu verschlucken. Sein Blick läßt mich nicht
    los. „Das alles muß sich ändern, Monsieur Llob.
    Wir müssen das alles ändern.“
    Ein Zucken springt von seiner Brust über auf sein
    dreifach gefaltetes Doppelkinn und erfaßt zuletzt
    den Unterkiefer, während eine riesengroße Trau-
    rigkeit sich über sein Lächeln legt.
    Endlich geht der Aufzug zu.

    Ich habe, das ist sehr lange her, einmal einen Mann verehrt. Jemanden, der in Ordnung war. So lauter
    wie Wasser. Und immer, wenn er mich auf seine
    Knie nahm, schwebte mein Kopf in Wolken. Ich
    habe die Farbe seiner Augen vergessen, den Ge-
    ruch seines Körpers: ich habe sogar vergessen, wie
    er aussah, doch ich erinnere mich noch immer an
    jedes seiner Worte. Er verstand es, die Dinge so zu sagen, wie der Zufall sie entstehen ließ. Er verstand es, mir den Glauben an das einzuflößen, woran er
    selbst glaubte. Vielleicht war er ein Heiliger. Er
    war überzeugt davon, daß die Menschen mit einem
    Minimum an Demut die Walfische und die Ozeane
    überleben könnten. Es ärgerte ihn sehr zu sehen,
    daß sie anderswo suchten, was doch vor ihrer Nase
    lag … Und daran, daß er partout die Welt ändern
    wollte, starb er zuletzt, denn er allein hatte sich nicht geändert.

    16
    2

    Ein Koloß, wie herausgehauen aus einem Mauer-
    block, betritt das Kommissariat. Seine Statur füllt den ganzen Korridor aus, das Personal hat gerade
    noch Platz, sich gegen die Wand zu drücken. Er ist
    so groß, daß der Laufbursche den Kopf ins Genick
    werfen muß, um ihm ins Gesicht zu sehen. Sein
    Schädel ist an den Schläfen glatt- und auf der Stirn eckig ausrasiert, seine Augenbrauen sind in Wim-pernhöhe, und wenn er geht, wallt die Luft um ihn
    herum.
    Reihum verstummt das Geklapper der Schreib-
    maschinen, je weiter der Herkules vorwärtsschrei-
    tet, und in den Türen tauchen immer mehr Köpfe
    auf, um sich zu vergewissern, daß der Terminator,
    der eben vorüberkam, keine Halluzination ist.
    Baya, die Sekretärin, ist gerade dabei, Akten zu
    ordnen, als sich das Licht um sie herum verfinstert.
    Beim Anblick des Goliath, der da im Türrahmen
    klemmt, wäre sie beinahe von der Stehleiter gefal-
    len. Sekundenlang rührt sie sich nicht, die Arme
    freischwebend, bis sie schließlich piepst: „Ja?“
    „Ich suche Kommissar Llob.“
    Baya ist im Bann der Stimme des Kolosses, ein
    kurzes machtvolles Schnarren, wie aus dem Rüssel
    eines Wildschweins: die Stimme des Männchens in
    vollendeter Männlichkeit.
    „Wen darf ich melden?“
    „Ewegh Seddig.“
    „Ah! Dann sind Sie der Fallschirmjäger.“ Sie
    zupft ihre Kleidung zurecht. „Bitte nach links.“

    17
    Ewegh wendet so klobig wie ein Panzer. Baya
    hat gerade noch die Zeit, die Breite seiner Schul-
    tern zu ermessen, die Stärke seiner Arme abzu-
    schätzen.
    „Welch ein Mann!“ rutscht ihr schwärmerisch
    heraus.
    Lino tut so, als feile er die Fingernägel.
    Ich erhebe mich und begrüße den Koloß: „Du
    bist pünktlich, das ist schon mal ein Pluspunkt.
    Bitte nimm Platz.“
    Ewegh blickt zwischen Stuhl und Sessel hin und
    her.
    Lino, der einen Horror vor Kleiderschränken hat,
    wirft ihm einen gelangweilten Blick zu und

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