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Commissaire-Llob 2 - Doppelweiß

Commissaire-Llob 2 - Doppelweiß

Titel: Commissaire-Llob 2 - Doppelweiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
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selbst-
    mörderisch vor. Zum Glück ist mir Ihr Buch in die
    Hände gefallen. Als ich es durch hatte, begriff ich, daß ich nicht allein dastehe, und ich beschloß, jetzt allen Ernstes etwas zu unternehmen. Was bei uns
    alles faul ist, läßt sich kaum benennen. Jetzt oder nie ist der Moment zu handeln, um die Hintergrün-de und Hintermänner dieser albernen Tragödie
    schonungslos aufzudecken.“
    Eine Tür geht auf, und er unterbricht sich. Ich
    drehe mich um und erblicke einen jungen Mann
    von seltener Schönheit, mit einem Gesicht wie ein
    Mädchen und einem Paar großer himmelblauer
    Augen. „Oh Pardon!“ entschuldigt er sich.
    Ben hat der Zwischenfall aus dem Konzept ge-
    bracht. Seine Hängebacken sind feuerrot. Der Jun-
    ge kehrt schleunigst ins Zimmer zurück und
    schließt sorgsam die Tür hinter sich.
    Ich tue so, als hätte ich nichts Anstößiges be-
    merkt, und schlage, um entspannt zu wirken, locker
    ein Bein über das andere.
    Ben steht auf, geht auf den Balkon. Der Wind
    zerzaust ihm die Handvoll grauer Haare, die er
    noch an den Schläfen hat. Er lehnt sich gefährlich
    weit übers Geländer und läßt seinen Blick über die
    Bucht schweifen, die von bleichen Hochhäusern
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    umzingelt wird.
    „Kommen Sie mal hierher, Monsieur Llob.“
    Ich folge ihm wohl oder übel.
    Pathetisch weist er auf Algier: „Sehen Sie sich
    diese Stadt an. Sie bricht noch zusammen unter der
    Last der Belanglosigkeit. Abweisend, plebejisch,
    anonym. Wie ein morsches Modell. Und doch
    gleicht kein Himmel dem Himmel über Algier. Die
    Sonne über Algier ist purer Orgasmus. Die Nacht
    über Algier wahre Idylle. Dieses Land lechzt nach
    Trunkenheit. Seine Bestimmung ist es, rauschende
    Feste zu feiern.“
    Ich betrachte mit ihm den Hafen, den der Nebel
    einrahmt, Notre-Dame d’Afrique, die hoch auf
    ihrem Hügel ihren Ärger hinunterschluckt, die
    Kasbah, die wie ein zerrissenes Leichentuch wirkt,
    und habe nicht den leisesten Schimmer, worauf er
    eigentlich hinaus will.
    „Und sehen Sie nur das Resultat von dreißig un-
    glückseligen Jahren Irrsinn. Straßen voller Gefah-
    ren, Müllberge, soweit das Auge blickt, und eine
    Mentalität, bei der selbst der stärkste Scanner
    durchbrennt. Und das soll nicht tödlich sein!“
    Er blickt noch melancholischer drein und wendet
    sich zu mir um, um mich zum Zeugen zu nehmen.
    Seine Stimme zittert: „Es gab einmal eine Zeit, da
    die Geschichte sich in dicken Lettern auf unseren
    Stelen verewigte. Die Zentauren von einst erquick-
    ten sich auf den Feldern unserer Mütter. Sogar die
    Propheten verneigten sich vor unserer Langlebig-
    keit. Gestern erst war es, daß die Mythologie ihre
    Fäden ins Haar unserer Witwen wob und der Hori-
    zont seine Faszination aus dem Blick unserer Wai-

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    sen bezog … Und sehen Sie nur, was heute aus uns
    geworden ist: lauter Nullen. Die wandelnde Nie-
    dertracht. Alle miteinander.“
    Sein Ton steigt drei Oktaven an, als er mit der
    Faust gegen das Geländer trommelt und nachsetzt:
    „Und siehe, auf die Rasse der Giganten folgt eine
    höchst merkwürdige Kolonie von Einsiedlerkreb-
    sen, aus deren Gehäuse Galle und Fäulnis quillt.“
    Er packt mich bei den Schultern. So, wie man
    einander seinerzeit im Maquis* [* Widerstandsbewegung im algerischen Freiheitskampf gegen die französische Kolonialmacht] angefaßt hat.
    „Ich möchte das alles zu Papier bringen, Monsi-
    eur Llob. Deshalb habe ich Sie kommen lassen.“
    Ich befreie mich mehr schlecht als recht aus sei-
    ner Umklammerung und kehre in den Salon zu-
    rück.
    „Sie müssen sich nicht sofort entscheiden, Mon-
    sieur Llob.“
    „Ich gestehe, Sie bringen mich ein wenig in Ver-
    legenheit. Warum ausgerechnet ich?“
    „Warum nicht Sie?“
    Das reicht mir nicht. Dreißig Jahre auf Tuchfüh-
    lung mit dem Mißgeschick haben mich davon ü-
    berzeugt, daß nichts, aber auch gar nichts bei uns
    reiner Zufall ist.
    Mir kommt das Wortgefecht, das ich kürzlich mit
    meinem Direktor hatte, wieder in den Sinn. Ver-
    sucht da jemand auszutesten, ob ich zu Rückfällen
    neige? Seit der Terrorismus sich zu einem Gesell-
    schaftsphänomen ausgeweitet hat, ist niemand
    mehr so verrückt, sich jemand anderem anzuver-
    trauen. Alles steht in Flammen. In der allgemeinen
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    Panik weiß man von keinem mehr, auf welcher
    Seite er steht.
    „Ich bin im Besitz eines einzigartigen Doku-
    ments“, versucht er mich zu ködern. „Codename:
    N.O.S. Ein Programm, auf das selbst der Teufel
    nicht verfallen

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