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Commissaire-Llob 3 - Herbst der Chimären

Commissaire-Llob 3 - Herbst der Chimären

Titel: Commissaire-Llob 3 - Herbst der Chimären Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
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erlaubt.
    »Wenn sie dich wirklich rausschmeißen, dann geb ich meinen Dienstausweis zurück«, tut er solidarisch kund.
    »Ich kann mir aber keinen Fahrer leisten.«
    »Das ist das letzte, worüber ich mir den Kopf zerbrechen würde. Begabung, Können, Vorbehalte, das zählt doch alles gar nichts mehr. Das einzige Beförderungskriterium, das sie uns gelassen haben, ist die Intrige. Und da werde ich mich zurückhalten!«
    Lino glaubt nicht wirklich, was er da sagt. Er ist mein Zögling. Ich habe ihn im Geist der Sunna und der Empfehlungen der verbürgten Hadiths [arab. »Rede, Gespräch, Erzählung, Bericht« - Verbürgter Ausspruch des Propheten Mohammed. Die Hadith-Sammlungen reflektieren die Lebensgewohnheiten (» Sunna ») des Propheten und gelten neben dem Koran als Hauptquelle des Islam.] erzogen. Wenn er sich jetzt so gehenläßt, dann nur, weil er leidet. Das ist seine Art von Protest.
    Ich schiebe ihn freundlich beiseite und gehe mich umziehen. Als ich zurückkomme, steht er am Fenster, drückt sich die Nase an der Scheibe platt, hat die Hände hinter dem Rücken verschränkt. Ich stelle mich neben ihn und klopfe ihm auf die Schulter, ein kleiner Schwindel, damit er glaubt, daß Brahim Llob ein hartgesottener Bursche ist, der Tiefschläge wegsteckt wie nichts. Er wendet sich um und liest in meinem Blick. Seine Stirn legt sich in Sorgenfalten. Ich begreife, daß die Haltung, die ich mir da aufzwinge, offenbar nicht sonderlich glaubwürdig wirkt.
    »Was gedenkst du zu tun?« quetscht er hervor.
    »Nachdenken.«
    »Darf ich daraus folgern, daß ich dich in Ruhe lassen soll?«
    »Ich bin stolz auf deinen Scharfsinn!«
    Er blickt auf seine Schuhspitzen. »Die Sache trifft mich völlig unvorbereitet. Ich weiß nicht, wie ich angemessen reagieren soll.«
    »Davon geht doch die Welt nicht unter, Lino.«
    Er nickt. »Du sollst wissen, daß du mich jederzeit anrufen kannst.«
    »Würde ich mir nie verzeihen, wenn ich daran zweifeln würde.«
    Er hebt zögernd die Hand zum Gruß und trollt sich davon.
     
    Wie immer, wenn ich nicht mehr weiter weiß, ertappe ich mich dabei, wie ich Kurs auf Da Achour nehme. Er ist mein Tranquilizer. Ich treffe ihn auf der Veranda am Meer an, wie er friedlich in seinem Schaukelstuhl döst; aus dem offenem Hemd quillt sein Elefantenbauch, während die Ohren unterm Strohhut verschwunden sind. Als er mich mit meiner tristen Miene auftauchen sieht, beugt er sich übers Radio, um den Ton leiser zu drehen, und trifft Anstalten, mich mitsamt meinem Weltschmerz in Empfang zu nehmen.
    Ich setzte mich neben ihn auf einen Schemel und lasse meinen Blick über die Wellen schweifen. Der Strand ist belebt. Die Rufe der Kinder schwirren hinter den Schreien der Möwen einem Himmel zu, der purer nicht sein könnte. Jugendliche Schwimmer wagen sich weit aufs Meer hinaus, um junge Damen, die sich scheinbar gleichgültig im Schatten ihrer Sonnenschirme räkeln, zu beeindrucken, und spotten der Aufregung der Rettungsschwimmer. Auf Felsen, die wie Geysire schäumen, mühen sich Angler, widerspenstige Fische an die Leine zu bekommen. Das ist der algerische Sommer, zwar mit Höhen und Tiefen, aber wild entschlossen, keine Zugeständnisse zu machen. Müßte ich auf einer Leinwand die Essenz des Lebens festhalten, dann in den Farben dieses Sommers, dieses Waffenstillstandes.
    Da Achour spitzt die Lippen: »Ich habe schon gestern mit dir gerechnet.«
    »Dann bist du also im Bilde?«
    »Es gibt heutzutage keine Geheimnisse mehr. Das ganze Leben wirkt wie eine Fernsehaufzeichnung.«
    Er schiebt gemächlich die Krempe seines Strohhuts hoch und schaut mir ins Gesicht. »Und?«
    »Ich krieg’s schon irgendwie in den Griff.«
    »Gut so. Die modernden Gewässer im Teich vermochten noch nie die Reinheit der Seerose zu trüben.«
    »Aber sie erheben sie auch nicht in den Rang einer Krone.«
    »Kronen kümmern sie nicht. Sie ist sich selbst Majestät genug.« Ich blicke skeptisch.
    Er fügt hinzu: »Ich habe mir Sorgen um dich gemacht.«
    »Hattest du Angst, ich würde mir eine Kugel in den Kopfjagen?«
    »So unberechenbar, wie du bist …«
    Ein großer Fußball landet neben der Veranda. Zwei Kinder kommen schüchtern näher, um ihn zu holen, und beobachten uns furchtsam aus den Augenwinkeln. Mein Lächeln schlägt sie schneller in die Flucht als die Grimasse vom Schwarzen Mann.
    »Und? Was meinst du? Hab ich eine Dummheit gemacht?«
    »Wenn du anfängst, an dir zu zweifeln, bist du keine Bohne wert.«
    »Ich zweifle ja

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