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Commissaire-Llob 3 - Herbst der Chimären

Commissaire-Llob 3 - Herbst der Chimären

Titel: Commissaire-Llob 3 - Herbst der Chimären Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
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in Monumente für sich selbst zu
    verwandeln und die Tränen der Witwen auf ihre
    Mühlen umzuleiten. Und das, das kann ich nicht
    ertragen.
    Vielleicht habe ich deshalb so lange gebraucht,
    bis ich auf das Klingeln reagiert habe.
    „Hast du dein Hörrohr verlegt oder was?“ wie-
    hert Dine auf dem Treppenabsatz. „Ich läute schon
    seit gut zehn Minuten.“
    Angesichts meiner tristen Miene dämpft er den

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    Ton und grinst mich stumm an mit seinem Pferde-
    gebiß. Dann pocht er mit seinem nikotingelben
    Fingernagel eindringlich auf das Zifferblatt seiner Armbanduhr, um mir klarzumachen, daß wir zu
    spät zu unserer Verabredung kommen werden.
    Ich nehme lustlos meine Proletarierjacke vom
    Haken und hole ihn am Fuß der Treppe ein.
    Dine ist so erregt, daß man meinen könnte, er
    wäre angespitzt. Er hat seinen besten Anzug an,
    dazu italienische Schuhe, und ist derart üppig mit
    Eau de Toilette bestäubt, daß es sogar einen Leich-
    nam im fortgeschrittenen Stadium der Verwesung
    wieder annehmbar duften lassen würde. Um sich
    den Anschein von Seriosität zu geben, hat er sich
    eine gigantische Hornbrille auf die Nase geklemmt,
    die sein halbes Gesicht verdeckt.
    „Hör zu, mein Schatz“, warnt er mich, als er mir
    den Wagenschlag öffnet, „wenn du vorhast, den
    ganzen Abend über so muffig zu bleiben, bleiben
    wir besser gleich zu Hause. Vergiß nicht, daß wir
    eine Dame besuchen. Also bitte, ein bißchen Hal-
    tung – und nicht so eine Trauermiene!“ fügt er hin-
    zu und knallt die Wagentür hinter mir zu.
    Kein Wort dringt aus meinem Mund während der
    ganzen Fahrt. Meine Bitternis hat etwas, das einem
    alle Freude auf Erden vergällen kann, Dines Freude
    zuallererst. Er hat inzwischen gemerkt, daß es sinnlos ist, den Clown zu spielen, um mir ein Lächeln
    zu entlocken. Meine Unleidlichkeit beginnt auf ihn
    überzuschwappen wie ein giftiger Nebel. Einmal
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    hätte ich ihn fast gebeten, anzuhalten und mich
    aussteigen zu lassen. Ich wollte zu Fuß nach Hause
    zurück. Nicht um mir die Beine zu vertreten oder
    den Geist zu lüften, sondern einfach, weil ich fin-
    de, daß sogar Dine mich jetzt mächtig zu nerven
    beginnt. Und überhaupt, ich habe schließlich ein
    Recht darauf, mich in meinen vier Wänden zu ver-
    graben, meine Gedanken zu sortieren, ein wenig
    Abstand zu gewinnen, um zu sehen, wie es um
    mich steht.
    Was weiß Dine denn schon von meiner Einsam-
    keit? Warum schleppt er mich zu dieser Witwe,
    obwohl ich gar nicht darauf brenne, sie wiederzu-
    sehen? Wenn er sich für sie interessiert, was habe ich damit zu tun? Wenn man so will, benutzt Dine
    mich nur.
    Seit langem schon finde ich Feten nicht mehr
    zum Lachen. Die Ursache dafür liegt in der Kind-
    heit, die man mir gestohlen, der Jugend, um die
    man mich gebracht hat, und heute sind die Zeiten
    auch nicht danach, das wieder ins rechte Lot zu
    rücken.
    Als ich ein Junge war, war immer diese Glas-
    scheibe zwischen mir und meinen Träumen auf der
    einen Seite, der Ausgelassenheit des Feierns auf
    der anderen.
    Auf dem Hof der Guillaumets, wo ich als Mäd-
    chen für alles verdingt war, blieb keine Zeit für
    Zerstreuungen. Ich war ständig im Dreh, hin- und
    hergerissen zwischen Haushaltspflichten und Bo-

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    tengängen, war bemüht, mein Geld auch wert zu
    sein, und ertrug mit stoischem Gleichmut alle Hö-
    hen und Tiefen – ganz wie die Schwalben, bei de-
    nen sich das Weiß der Bäuche wunderbar mit dem
    Schwarz auf ihrem Rücken verträgt. Gott hat zwei-
    erlei Sorten von Menschen geschaffen, lehrte man
    mich: reiche und arme.
    Wenn das Haus meiner Herrschaft mit Girlanden
    geschmückt war und aus allen vier Himmelsrich-
    tungen knatternde Automobile und Kutschen ein-
    trafen, wenn der Lärm des Festes bis auf den Berg
    emporschallte und das Lachen der Frauen sich am
    Firmament brach, dann gab ich mich mit einer
    Astgabel oder einem Plätzchen im Schatten zufrie-
    den und betrachtete das Glück der anderen wie
    durch ein Aquarium hindurch. Stundenlang blieb
    ich so hocken, starr vor Kälte und Staunen, die
    Nase bis zum Morgengrauen gegen die Scheibe
    gedrückt, und nicht eine Sekunde verübelte ich es
    den Leuten von Igidher, daß sie nichts taten, meine Kinderaugen wenigstens ein bißchen zum Leuchten zu bringen.
    Damals waren es immer die französischen Sied-
    ler, die etwas zu feiern hatten. So war es, damit
    mußte man leben. Und deshalb verkrieche ich mich
    bis auf den heutigen Tag immer, wenn sich ir-
    gendwo die

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