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Commissaire Mazan und die Erben des Marquis: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)

Commissaire Mazan und die Erben des Marquis: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)

Titel: Commissaire Mazan und die Erben des Marquis: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Bagnol
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angezogen.
    Ich wollte Jules wenigstens einmal küssen.
    Ob es die Wirkung des Gifts war oder die Angst, Zadiras Gedanken begannen zu taumeln, sich übereinanderzuschichten und sich ohne Sinn und Logik zu verkanten.
    Mattia holte ein Seil aus seinem Koffer hervor, ein rotes, dünnes, weich aussehendes Seil.
    Will er mich fesseln? Aber ich bin doch schon gefesselt.
    »Das ist eines von Amaurys Seilen«, sagte er. »Ist das nicht komisch?«
    »Warum Julie? Sie hat Ihnen doch nichts getan«, versuchte sie, Zeit zu gewinnen.
    Mit zwei großen Schritten war er bei ihr und gab ihr eine heftige Ohrfeige.
    »Du weißt gar nichts«, knurrte Mattia.
    Wieder ein Schlag, heftiger als der erste. Ihre Wangen brannten wie Feuer, und in ihrem Kopf explodierte der Schmerz. Zadira biss sich auf die Unterlippe. Er stand vor ihr, das Seil hing in seiner linken Hand.
    »Julie war ein Nichts«, zischte er. »Sie ist diesen … Kreaturen verfallen. Sie taugte nichts.«
    Ihre Zunge fühlte sich geschwollen an. Schweiß lief ihr den Rücken hinunter, unter ihren Brüsten sammelte sich klebrige Feuchtigkeit. Der Druck der Metallstifte wurde mit jedem Atemzug qualvoller.
    »Aber sie war doch jung. Sie konnte nicht wissen, dass ihre Verführer Betrüger waren.«
    Ihre Zunge wurde immer größer in ihrem Mund, ihr Körper schmerzte, ihre Gedanken versanken in Watte. Völlig absurd, dass ausgerechnet sie, die Drogenfahnderin aus Marseille, jetzt an einer Überdosis einer antiquierten Lustdroge draufging. Sie versuchte, langsam und deutlich zu artikulieren:
    »Es sind diese reichen Bonzen. Sie nehmen uns nicht einmal wahr. Wir sind nur die, die ihren Dreck wegräumen. Oder ihr Essen bringen. Oder ihnen ihre Scheißunterwäsche bügeln.«
    Die Sätze quollen einfach weiter aus ihrem Mund.
    »Ich habe sie kennengelernt, seit ich auf der Welt bin. Oh ja, ich …« Was wollte sie sagen? Ah ja. »Ja … ich habe gegen die Machos im Viertel gekämpft und gegen die Bacs. Ich habe die Verachtung in den Gesichtern der weißen Kellner gesehen, oder die Blicke der Lehrer in der Schule. Das schmierige Grinsen der Busfahrer, wenn sie mir im Rückspiegel hinterherschauten. Aber wissen Sie was?«
    Er stand immer noch mit dem Seil in der Hand da und beobachtete sie. Seine Augen zu Schlitzen verengt.
    »Ich habe angefangen, die zu spüren, die hinter all dem stehen. Wir sehen sie nicht. Wir hören sie nicht. Aber sie sind da. Und sie tun alles dafür, dass es so bleibt, wie es ist. Dass wir uns gegenseitig an die Kehle gehen. Während sie in ihren Schlössern und Villen sitzen und sich auf ihren fünf Meter breiten …« Wie war das Wort noch mal? Merde, diese Droge machte sie mürbe. »… Flachbildschirmen mit einem Glas Champagner in der Hand die Unruhen in den Banlieues anschauen. Für uns sind sie immer unsichtbar. Aber diesmal, dieses eine Mal können wir sie kriegen.«
    Sie leckte sich über die Lippen. Hatte sie ihn?
    »Wir haben sie an die Wand genagelt. Schluss mit den Erben des Marquis!«
    Sie atmete heftig.
    »Helfen Sie mir, und wir machen sie fertig.«
    Mattia betrachtete sie reglos. Schließlich nickte er langsam.
    »Nettes Plädoyer«, sagte er. Dann trat er zu ihr, ganz nah, und sagte leise in ihr Ohr: »Aber wir gehören nicht zum selben Team, Araberhure.«
    Dann schlang er ihr das Seil um den Hals.

    Nachdem er unter dem Gartentor hindurchgekrochen war, hielt Commissaire Mazan inne und witterte zum Haus. War sie noch dort? War sie noch am Leben? Oder …
    Die Alternative ließ ihn erzittern. Er könnte es nicht ertragen. Nicht nur, weil er sich hatte ablenken lassen und es deshalb seine Schuld wäre. Sondern vor allem, weil es ihm das Herz zerreißen würde.
    Aber sie ist doch nur ein Mensch!, rief eine Stimme in ihm.
    Ja, aber was für einer.
    Er konnte weder sie noch den Flügelmann wahrnehmen. Sollte er springen? Keine Zeit.
    Sein Instinkt schrie einfach nur: Lauf! Rette sie! Und wenn es dein Leben kostet.
    Er jagte durch den Garten, fand das offene Kellerfenster und sprang, ohne zu zögern, hinunter. Lautlos huschte er die hölzernen Kellerstufen empor. Ein schwarzer Schatten.

    Jules hastete mit großen Sprüngen die Stufen des schmalen Durchganges zwischen zwei Häusern hinter der Rue Bernus hinab.
    »Atos, bleib!«, rief er, aber der Hund hörte nicht. Himmelherrgott, warum musste ausgerechnet dieser dicke Kater, der aussah wie ein Kissen auf vier Beinen, über den Platz spazieren?
    Jules bog um eine Ecke und sah nicht nur Atos, der dem

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