Commissaire Mazan und die Erben des Marquis: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)
schluckte, stöhnte. Der Knebel schnitt in ihre Mundwinkel.
Jetzt spürte sie die harten Spitzen, die sich in ihren Po, in ihren Rücken und von unten in ihre Schenkel bohrten.
Zadira wimmerte vor Qual. Es war unmöglich, dem dutzendfachen Druck zu entkommen.
Und dann begriff sie.
Sie saß in dem Zimmer. Auf dem Stuhl der Wahrheit. Dem Folterstuhl. Ihre Handgelenke waren mit Schließeisen und der Kopf mit einem Ledergurt fixiert. Der Kopfschmerz pumpte hinter ihrer Stirn.
Er hat mich getäuscht. Die ganze Zeit.
Er stand mit dem Rücken halb zu ihr gedreht und hantierte in einem aufgeklappten, dunkelbraunen Lederkoffer herum. Zadira registrierte die feinen, schwarzen Lederhandschuhe, die er trug, und die Utensilien in den unterschiedlich großen Fächern. Und ihre Dienstpistole. Dann wandte er sich um und bedachte sie mit einem Blick, der nichts Menschliches mehr hatte.
Mattia Bertani.
Nun zog er einige kurze Abschnitte Klebeband aus Plexiglasschachteln hervor und kam zu ihr. Ohne eine Regung zu zeigen, klebte er sie auf die Schließen der Handfessel und strich sie mehrfach sorgfältig aus. Danach ging er um den Stuhl herum, um auch das Drehrad auf dieselbe Weise mit einem weiteren Streifen zu präparieren. Er drehte es danach weiter. Die stählernen Finger bohrten sich noch tiefer in ihre Haut und in ihr Fleisch.
Sie stöhnte gequält auf, als greller, scharfer Schmerz durch ihren Körper schnitt. Sofort zwang sie sich dazu, ihre Muskeln zu lockern und den Schmerz durch sich hindurchfließen zu lassen.
Was machte er da? Nahm er Fingerabdrücke? Aber wozu?
Mattia beobachtete ihre Reaktion mit wachem, interessiertem Blick. Zadira gab sich alle Mühe, ihm ihre Angst nicht zu zeigen.
Doch er bemerkte sie trotzdem.
Seine Lippen verzogen sich zu einem kleinen, grausamen Lächeln.
»Kannst nicht mehr weg«, sagte er mit einer so fremden, gemeinen Stimme, die sie nicht an ihm kannte. Er beugte sich zu ihr hinab, so dass sein Gesicht dicht vor ihrem war. Er hob die Hand und strich mit dem behandschuhten Daumen erst über ihre vom Knebel malträtierten Lippen. Dann ganz leicht über ihre Augenlider.
»Hast so böse, giftige Augen«, flüsterte er. Seine Gesichtszüge verhärteten sich. »Hurenaugen«, zischte er.
Die Gewaltbereitschaft, die von ihm ausging, war überwältigend. Zadira schnaufte heftig durch ihren Knebel hindurch, weil die schiere Angst sie packte.
Mattia richtete sich abrupt auf. Kalt jetzt wieder und ohne Regung. Er nahm die Klebestreifen ab und ging zurück zum Koffer.
Nein. Er nimmt keine Fingerabdrücke! Er trägt sie auf.
Auftragen, glattstreichen, festdrücken, abziehen – zurück bleibt ein hübsches Muster wie ein Einmal-Klebe-Tattoo. Nur war dies die Profivariante.
Nun präparierte er zwei Champagnergläser und hielt ein Glas gegen das Licht. Jetzt konnte Zadira auch erkennen, was er dort aufgetragen hatte: einen Lippenstiftabdruck.
Er legte Spuren. Für Beaufort und seine Kriminaltechniker. Er präparierte einen Tatort! Mit Fingerabdrücken, mit Haarspuren, mit Lippenstift, mit Spuren, die er seit Jahren von den vier Erben gesammelt hatte. Von Tellern, Gläsern, Haarbürsten.
Ihr war klar, was das bedeutete. Ihren Tod. Er wollte ihn César und Victorine in die Schuhe schieben. Und sie damit endgültig zerstören.
Er kontrollierte seine Uhr, schüttete etwas aus einem Klarsichtbeutel auf seine behandschuhte Hand. Erneut kam er zu ihr und beugte sich zu ihr hinab.
»Du wirst ruhig sein, kleine Araberhure«, befahl er leise. Er brauchte keine Drohung auszusprechen. Dann nahm er ihr den Knebel ab.
Sie sog tief die Luft ein.
Er hielt ihr ein rot-weiß gestreiftes Bonbon an den Mund.
»Schlucken«, forderte er.
Eines der zwei roten Berlingots, die aus Césars Kulturtasche verschwunden waren!
Als sie nicht sofort den Mund öffnete, verfinsterte sich sein Blick. Da wusste sie, dass sie keine Wahl hatte.
Er steckte es ihr in den Mund, sie legte es unter die Zunge.
»Zerkau es«, befahl er.
Knirschend zermalmte sie das Bonbon mit den Zähnen und schmeckte saure Bitterkeit, als das Gift freigesetzt wurde.
»Ich weiß, was Sie hier tun«, begann Zadira flüsternd. »Sie legen falsche Spuren und …«
»Schluck es runter!«, unterbrach er sie. Dann schob er ihr das zweite Bonbon in den Mund, das sie wie das erste zerkaute und hinunterschluckte. Dabei versuchte sie, sich daran zu erinnern, was Hervé ihr über die Wirkung einer zu großen Dosis Kantharidin gesagt hatte. Es war
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