Commissaire Mazan und die Erben des Marquis: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)
aus dem Handgelenk heraus. Der Lauf schwang zweimal kurz nach rechts.
»Nach Mazan geht’s da lang«, sagte sie. »Immer geradeaus.«
Die Mündung schwang zurück auf seine Brust.
Jules spürte seinen Puls rasen.
»Vielen Dank.«
»Gern geschehen.«
»Es hat mich wirklich sehr gefreut, Sie kennenzu…«
»Casse-toi, babtou.« Verpiss dich, Weißbrot.
Jules Parceval hätte beinahe laut gelacht. Eine Nackte. Mit einer Knarre und einem Marseiller Akzent. Unglaublich sexy, unglaublich cool und unglaublich unerreichbar.
Die Frau lächelte, als hätte sie seine Gedanken gelesen.
Atos jaulte.
9
C ommissaire Mazan!
Immer wieder sagte er sich in Gedanken diesen Namen.
Commissaire Mazan.
Die Frau, der er Tin-Tin gebracht hatte, hatte ihm zwar keine Thunfischpastete gegeben. Aber einen Namen.
Niemand, der nicht so lange namenlos gewesen war wie er, konnte verstehen, was das bedeutete. Er war nicht mehr paysan, sombre oder Flohtaxi. Er war Commissaire Mazan. Seit diesem Moment ging er mit erhobenem Kopf durch die Gassen der Stadt.
Gerade kehrte er von einem Rundgang zurück, als er den Mann in das dunkle Haus gehen sah. Das Haus, dessen Garten er schon beinah als sein Revier ansah. Trotz der Katzen, die dort vergiftet worden waren.
Rasch versteckte er sich unter einem Mauervorsprung und beobachtete, wie der Mann die Tür zur Straße aufschloss, zwei schwere Taschen aufnahm, die er zuvor abgestellt hatte, und mit ihnen im Haus verschwand. Konnte das der Mann sein, der die Katzen vergiftet hatte? Der Flügelschatten?
Commissaire Mazan wusste es nicht zu sagen. Der Flügelschatten war eher eine Kraft als eine Person. Und diese Kraft hatte er nur kurz und im erschöpften Zustand in einem Tordurchgang wahrgenommen. Doch auch den Mann, der gerade ins Haus gegangen war, hatte er nur aus der Entfernung gesehen.
Ich muss es wissen!
Kaum war die Tür wieder geschlossen, sprintete er zum Gartentor hinüber. Er spähte unter der scharfsplittrigen Kante des Tores hindurch. Die unheimliche Tür zum Haus war geschlossen, der Mann nicht zu sehen. Der Kater schlüpfte in den Garten, suchte sein Versteck unter dem Magnolienbaum auf und spähte zur Tür. Ein Windstoß lies den Efeu rascheln. Es hörte sich an, als lache das Haus ihn aus. Aber er ließ sich davon nicht beeindrucken, beobachtete weiterhin die Tür. Wartete.
Ich dachte, du wolltest mir deine Geheimnisse zeigen?
Dann komm doch näher, antwortete der Efeu.
Den Teufel werde ich tun.
Sekunden reihten sich zu Minuten. Unsichtbare Grillen schlugen den Takt. Kein Mensch war in den Gassen unterwegs.
Commissaire Mazan begann, den Rhythmus der Stadt zu begreifen. Was er jedoch nicht begriff, war, wieso seit dem Vortag die Futterteller der anderen Katzen nicht mehr leer waren. Fast überall fand er kleine Reste, die er, nachdem er sich aufmerksam umgeschaut hatte, hastig hinunterschlang. Ab und zu sah er eine andere Katze, doch sie wichen ihm alle aus, verschwanden, bevor er auch nur versuchen konnte, sich ihnen zu nähern. Hatten sie etwa Angst vor ihm? Das konnte doch nicht sein. Zumindest die schattenweiße Siam hatte nicht die geringste Furcht gezeigt. Überhaupt, die Schattenweiße.
Hatte sie dem Dorfchef seine Anwesenheit etwa doch nicht verraten? Commissaire Mazan lief jetzt schon den zweiten Tag in der Stadt umher und war ihm noch immer nicht begegnet.
Und die Sternenjägerin, die Himmelsläuferin?
Der Kätzin mit den verrückt-schönen Augen, der er aus der Tonne geholfen und die ihm dafür das Ohr zerfetzt hatte, war er auch nicht mehr begegnet. Obwohl er ihre Duftspur wahrgenommen hatte. Allerdings in einem Meer anderer Spuren. Da war es schon einfacher gewesen, der dunkelroten Spur der Thunfischpasteten-Frau zu folgen.
Da! Eine Bewegung hinter der stumpfen Glasscheibe der Gartentür. Commissaire Mazan duckte sich tief ins Lavendelgras. Sein Schwanz zuckte. Wilder Zorn durchströmte ihn, als er daran dachte, dass der Mann im Haus vielleicht derjenige war, der die Sternenjägerin hatte umbringen wollen! Es gab Momente, da hasste Commissaire Mazan seine Machtlosigkeit gegenüber den Menschen. Doch er wusste mittlerweile, dass es auch für kleine Krieger wie ihn eine Gelegenheit gab, einen ihm an Stärke überlegenen Gegner zu besiegen. Er musste nur den richtigen Moment abwarten.
Das Geräusch eines Schlüssels, der sich knirschend im Schloss drehte. Der Griff bewegte sich. Erst öffnete sich die Tür nur einen Spalt, schließlich mit einem Ruck
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