Commissaire Mazan und die Erben des Marquis: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)
eben bei mir«, begann Monsieur Alexandre, den Vic »César« genannt hatte.
»Glaubst du, er … er hat Julie …?«, fragte Vic César mit einem leichten Beben in der Stimme.
Der antwortete mit einem kühlen Blick.
»Möglich, doch auch das wäre für uns keine komfortable Situation. Schließlich arbeitet er schon seit geraumer Zeit für uns und ist damit über unsere Aktivitäten auf dem Laufenden.«
»Und wenn er uns erpressen will?«
»Ach, Vic«, erwiderte César träge, »glaubst du nicht, dass ich diese Möglichkeit bereits von Anfang an einkalkuliert habe? Jeder Mensch hat etwas zu verbergen. Egal, was er über uns weiß oder zu wissen glaubt, es ist nichts gegen das, was ich über ihn aus dem Hut zaubern und ihm anhängen kann.«
Vic kraulte Mazan hinter dem heilen Ohr.
»Sei froh, kleiner Kater«, sagte sie voller Wehmut, »dass du mit diesen hässlichen Dingen nichts zu tun hast.«
Mazan gewährte ihr ein leises Purren.
»Ich habe Angst, César«, gab sie dann zu.
»Wovor?«
»Davor, dass du es warst. Oder Alexis. Oder Philippe. Davor, dass es keiner war, aber dass wir trotzdem zerstört werden, einfach zerstört, ja.« Ihre Stimme brach.
»Das wird nicht passieren«, antwortete er ruhig. »Dafür sorge ich.«
Das Schweigen zwischen ihnen war warm.
Da klopfte es an der Tür. Mazans Kopf fuhr herum. Ohne auf ein Entrez zu warten, betrat ein Mann das Zimmer.
»Komm doch rein, Alexis«, sagte Victorine deutlich kühler.
»Wir sollten abreisen«, verkündete der Neuankömmling. Seine Ausstrahlung war hart und grausam.
Alexis. Commissaire Mazan prägte sich auch diesen Namen ein. Ein zweiter Mann, kleiner und rundlich, kam hinter Alexis ins Zimmer und schloss die Tür.
»Alexis hat recht«, sagte er mit leiser Stimme. »Bald werden die Journalisten kommen, und wir sitzen auf dem Präsentierteller. Ich habe keine Lust, meinen Namen in diesem Zusammenhang in der Zeitung zu lesen. In Paris können wir besser reagieren, dort haben wir unsere Freunde. Hier haben wir niemanden.«
Mazan sah, wie um Césars Mund ein Lächeln spielte. Er verheimlichte ihnen also, dass sie vor Ort »jemanden« hatten.
»Wozu sollen wir noch bleiben?« Alexis ließ sich auf dem Bett nieder. »Um darauf zu warten, dass irgendwelche kleinen Beamten uns Fragen stellen? Uns?« Er schüttelte unwillig den Kopf und murmelte: »Ich kann’s nicht fassen.«
Mazan, der seinen Kopf wieder auf die Pfoten gelegt hatte, beobachtete Monsieur Alexandre. Der schien der Chef dieses Rudels zu sein.
César hatte die Augen geschlossen. Als er sie wieder öffnete, schien er einen Entschluss gefasst zu haben.
»Folgendes sollten wir bedenken: Offiziell wissen wir noch gar nichts von dem, was sich in der Rue de l’Ancien Hôpital ereignet hat. Die ersten Berichte werden morgen in den Zeitungen erscheinen. So lange haben wir Zeit zu handeln. Und glaubt mir, bis dahin wird noch einiges geschehen. Statt jetzt überstürzt und, wie ich finde, ziemlich auffällig abzureisen – immerhin haben wir für eine Woche gebucht –, sollten wir das morgen früh entscheiden. Dann werden wir auch nicht mehr die Einzigen sein, die ihre Koffer packen.«
Für einen stummen Augenblick kreuzten sich die Blicke der vier Menschen, und Mazan nahm die Spannung wahr, die zwischen ihnen herrschte. Er hielt es kaum noch aus, so aufgeladen war die Luft. Nur zwischen Vic und César schien ein, wenn auch mit Zweifeln durchsetztes Einverständnis zu bestehen.
»Na schön. Und was bitte sollen wir heute Abend machen?«, fragte Alexis gereizt.
César bedachte den Richter mit einem spöttischen Blick.
»Natürlich essen wir im L’Ingénue«, sagte er. »Ich habe uns bereits angemeldet.« Er machte eine kleine Pause. »Es gibt Täubchen mit Auberginenkroketten.«
19
F ast vier Stunden nach Auffinden der toten Julie wussten sie immer noch nicht, wem das verfluchte Haus Nummer 9 gehörte. Brell klapperte zusammen mit dem Nachtwächter der Wache, dem ehemaligen Gemeindevorsteher Aristide, die Nachbarn ab. Doch die meisten waren bereits bei der Arbeit in Carpentras und Avignon oder hielten sich grundsätzlich aus allem raus. Oder sie waren sich nicht sicher, ob und was sie Haus Nummer 9 betreffend wirklich beobachtet hatten. Wenige hatten Julie am Vorabend gesehen. Sie hatte ein einfaches Kleid getragen.
Brell fasste seine bisherigen Ergebnisse bei einem Telefonat zusammen: »Die meisten Altstadtbewohner haben die ganzen Jahre über angenommen, das Haus sei ein zu
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