Commissaire Mazan und die Erben des Marquis: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)
überhaupt nicht in das Durcheinander passte.
»Dingeling.«
Alle Katzen schauten zu der völlig demolierten Garage. Und sahen, wie Tin-Tin unter dem Gerümpel hervorkroch.
»Dingeling, dingeling, dingeling.«
»Ist wieder ganz«, krähte der kleine Kerl fröhlich.
»Verdammt, Mazan«, rief Rocky, »und wenn er unter ein Auto kommt, auch egal! Er ist doch nur ein blöder Köter.«
Commissaire Mazan, der bereits ein Stück die Gasse hinuntergelaufen war, wandte sich um. »Ach ja, und wir sind nur blöde Katzen, oder was?«
Dann rannte er weiter. Rocky hatte ja recht. Atos war ein dummer, großer Hund, der vermutlich längst platt gefahren war. Was ging es ihn an?
Weil es in meiner Macht liegt, es zu verhindern.
Mist! Hätte Atos nicht einfach ein gemeiner, bösartiger Hund sein können?
Er vernahm schon von weitem das wütende Hupen. Anscheinend hatte der Hund die Straße erreicht. Als Commissaire Mazan durch den Torbogen nach draußen raste, hatte er Mühe, die Situation sofort zu erfassen.
Auf der breiten Straße vor ihm hatten mehrere Autos mitten auf der Straße gebremst. Fahrer schimpften durch die offenen Fenster. Mittendrin irrte Atos mit eingeklemmtem Schwanz verstört umher. Sobald er eine Straßenhälfte verließ, fuhren dort die Autos weiter. Dafür hupten nun die, die auf der Gegenseite bremsen mussten, so dass der Hund wieder zurücklief. Es war nur eine Frage der Zeit, bis eines der Fahrzeuge nicht mehr rechtzeitig abbremsen könnte. Schon sah Mazan am Ortseingang einen dieser riesigen Lkws heranbrausen. Er musste sofort handeln.
Doch was sollte er tun?
Er konnte den Hund ja schlecht am Halsband packen.
Entgegen seinen Instinkten lief er dennoch bis an die Bordsteinkante. Dort rief er, so laut er konnte: »Atos. Kch. Weg!«
Warum hörte der Hund ihn nicht! Wieder fuhren Autos an, streiften Atos beinah. Der suchte verzweifelt jaulend einen Weg, um diesen unüberschaubaren, viel zu schnellen Gefahren zu entkommen. Und der Lkw kam mit mörderischem Geräusch in viel zu hohem Tempo näher.
Das sieht nicht gut aus.
Commissaire Mazan zwang sich zur Ruhe. Blitzschnell erfasste er die einzelnen Fahrzeuge und ihre Geschwindigkeit. Dabei erkannte er zwei Dinge: Der Hund hatte nicht mehr lange zu leben. Und ihm, Mazan, bot sich eine Chance, das zu ändern.
Nur eine einzige.
Warte … warte … jetzt!
Er rannte los.
Als er auf den Kühler des ersten Autos sprang, sah er aus den Augenwinkeln, wie sich die Augen des Fahrers vor Schreck weiteten. Doch ehe der Mann auf die Bremse treten konnte, war Mazan bereits auf der Schnauze eines Fahrzeuges auf der Gegenseite gelandet. Dessen Fahrer hatte gebremst, weil der Hund vor ihm furchtsam auf der Fahrbahn kauerte. Mazan sprang von dem Auto direkt auf Atos zu und fauchte ihn an: »Weg! Kch! Zurück!«
Der Hund schaute ihn verdutzt an, erkannte ihn und wich zurück. Mazan setzte nach und wiederholte seinen Befehl. Immer wieder, bis Atos endlich begriff, sich umwandte und endlich in die richtige Richtung lief.
Das Auto hinter ihnen fuhr wieder an, auch weil die dröhnende Hupe des Lkws immer näher kam. Als Mazan dem Hund zwischen den anderen Autos hindurch folgte, spürte er noch den Luftzug des gewaltigen Fahrzeuges in seinem Rücken.
Atos lief auf den Bürgersteig und drehte sich dort wimmernd im Kreis. Mazan ließ ihm Zeit, sich wieder zu beruhigen, und beobachtete mit hart pochendem Herzen den Verkehr, der sich wieder störungsfrei über den Asphalt wälzte. Er wandte sich wieder dem Hund zu und hatte so eine Ahnung, dass das der Beginn einer sehr merkwürdigen Freundschaft sein könnte. Mazan kam zu dem Schluss, dass das Leben in der Stadt ganz schön anstrengend war.
21
Z adira beobachtete die fünfzigjährige Forensikerin, die ihr auf der anderen Seite des Tisches mit der Blutrinne gegenüberstand. Zwischen ihnen auf dem Metall lag die Leiche von Julie Roscoff. Dr. Hervé hatte gewartet, bis Zadira das Opfer fürs Protokoll identifizierte, nachdem schon so manches Mal Leichname auf dem Weg vom Tatort bis in die Rechtsmedizin vertauscht worden waren. Und das nicht immer aus Versehen.
Sie befanden sich im Untergeschoss von Carpentras’ neuem Rechtsmedizin-Zentrum. Ein nüchterner Glasbau, in dem sowohl die Opfer von Gewaltverbrechen aus dem Vaucluse untersucht wurden als auch die Täter, wenn sie psychopathische Züge aufwiesen.
»Eine Penetration gab es zwar«, sagte Dr. Mathilde Hervé nun. »Es gibt aber keine Hinweise darauf, dass sie
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