Commissaire Mazan und die Erben des Marquis: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)
geflecktes Fell?«
»Ja, wieso?«, fragte Louise verwundert.
»Ein großes Maul mit einer lange Zunge und jeder Menge Sabber?«
»Du kennst das Monster!«
»Bring mich hin. Schnell«, antwortete er nur.
In diesem Moment hörten sie fernes Bellen und katziges Kreischen. Sofort liefen sie in die Richtung, aus der der Lärm kam und jetzt immer lauter wurde. Sie erreichten eine Gasse, die steil hinab zu einem Torbogen führte. Dahinter hörten sie das an- und abschwellende Rauschen des Autoverkehrs. Doch das nahm Mazan nur am Rande wahr. Alle seine Sinne richteten sich auf das kleine Haus, in dem gerade ein wilder Kampf stattzufinden schien.
»Was ist das für ein Haus?«, fragte er Louise.
»Das ist Édouards Garage! Der Klempner«, rief sie keuchend. »Sie ist voller Gerümpel. Vielleicht hat Tin-Tin sich dort versteckt.«
Sie hörten Katzenschreie, Fauchen, Bellen, Japsen. Irgendetwas sprang durch die Luft. Rocky?
Dann ging alles sehr schnell.
Offenbar waren die Katzen mit ihrem konfusen Ablenkungsmanöver in die Garage von Édouard geraten. Dort versuchte der mittlerweile völlig durchgedrehte Atos, mit all diesen tollen knuffigen Viechern gleichzeitig zu spielen, ohne zu ahnen, dass die Katzen das als brutale Attacke verstanden. Während Mazan mit Louise auf die Einfahrt der Garage zurannte, erkannte er Oscar, der es irgendwie geschafft hatte, auf ein Regal zu springen. Er sah Rocky, der von einer Werkbank aus die riesige leckende Hundeschnauze mit seinen Krallen abzuwehren versuchte. Er registrierte andere Katzen, eine schwarz-weiß Gefleckte, eine braun Gestreifte, eine Blonde, die alle abwechselnd vor dem großen Hund flohen oder ihn attackierten. In den wenigen Sekunden, die Mazan brauchte, um die Garage zu erreichen, schoss ihm durch den Kopf, dass die Katzen dieser Stadt doch kein so träger Haufen waren. Wenn eine von ihnen bedroht war, hielten sie alle zusammen.
Was sie nicht kapiert hatten, war jedoch, dass sie gegen die falsche Bedrohung zusammenhielten.
Noch ehe Mazan eingreifen konnte, beging Atos einen fatalen Fehler. Um diesen tollen Spielfreund mit dem roten Fell zu fassen zu kriegen – vermutlich, weil er ihn ablecken wollte –, stieg er mit den Vorderpfoten auf den Werktisch. Rocky missdeutete diese freundschaftliche Geste als finalen Angriff, dem er sich zu entziehen trachtete, indem er auf das Regal sprang. Dort aber war zu wenig Platz, denn zwischen den aufgereihten Farbtöpfen hockte bereits der dicke Oscar. Und der war der Meinung, dass er für diesen Tag bereits genug für das Gemeinwohl getan hatte. Den sicheren Platz in luftiger Höhe für einen Kater zu räumen, der sich ständig über seine mit erlesenen Speisen angefütterte Figur lustig machte, kam für ihn nicht in Frage. Er wehrte den im Sprung relativ wehrlosen Rocky mit einem beherzten Prankenhieb ab. Das brachte den Chefkater aus dem Konzept.
Das weit aufgerissene Maul mit der speicheltriefenden Zunge direkt unter sich, krallte Rocky sich mit aller Kraft an der Kante des hölzernen Regals fest. Damit aber brachte er die ganze Konstruktion in eine Unwucht, der die Schrauben, mit denen das Regal an der alten Wand befestigt war, nicht standhalten konnten. Mit einem unheilvollen Knirschen lösten sich die Dübel aus dem bröseligen Gestein.
Oscar, dem schwante, dass sein vermeintlich sicherer Platz sich dem Abgrund entgegenneigte, geriet in Panik. Mit einem ambitionierten Sprung versuchte er, sich in Sicherheit zu bringen. Dabei stieß er mit seinem dicken Hinterteil einen der Farbtöpfe vom Regalbrett. Während Oscar in eine ungewisse Zukunft sprang und Rocky panisch einen Halt suchte, flog der Farbtopf auf die Werkbank zu und knallte dort auf die Kante. Die Wucht des Aufpralls ließ den Deckel aufspringen, und die blaue Farbe schwappte durch die Luft.
Der größte Teil klatschte gegen das Regal, das polternd umstürzte. Etliche Spritzer aber landeten im Fell des Hundes, der sofort verängstigt jaulend das Weite suchte. Als Mazan und Louise wenige Meter vor der Garage abbremsten, rannten ihnen also ein völlig irrer Hund und ein halbes Dutzend verstörter Katzen entgegen. Der Hund raste die Gasse hinunter, die Katzen blieben nach und nach stehen und schauten zurück auf das Chaos, das sie hinterlassen hatten.
»Wow«, meinte Rocky, »dem haben wir es aber gezeigt.«
Mazan sah Atos hinterher, der in vollem Galopp auf die Hauptstraße zurannte.
Oh Mist.
Du dummer Kerl.
Mit einem Mal vernahm er ein Geräusch, das
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