Commissaire Mazan und die Erben des Marquis: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)
sich entlang der Mauerschatten am Kirchplatz vorantastete, nahm Mazan Louises speziellen Katzenduft wahr. Und den von Manon.
Er überquerte rasch den Kirchplatz und näherte sich der Gasse, in der er vor ein paar Tagen seine erste rüde Begegnung mit Rocky gehabt hatte. Louise hatte mit Manon von einer Mauer aus zugeschaut. Und hinter genau dieser hielten sie sich auch heute auf.
Mazan näherte sich dem nun offenen Gittertor, das zu dem Hof der alten kleinen Kirche führte, und schaute zu der Plakette mit den Inschriften empor, die an den hellen Sandsteinmauern angebracht war. Lesen zu können, hatte er bisher nie vermisst. Doch für Stadtkatzen konnte es nützlich sein.
Der Hof war mit Steinplatten ausgelegt, zwischen denen Gras ungezähmt emporwuchs. Die Eingangstür der alten Kapelle stand offen.
Commissaire Mazan spähte in den Altarraum, der jedoch vollgestellt war mit rätselhaften Gegenständen, denen das hohe Alter riechbar aus allen Poren quoll. Gleich hinter dem Eingang saß eine junge Frau an einem Tisch und las.
Louise hockte draußen auf einer Steinbank neben einem niedrigen, halbrunden Gewölbe. Manon lag im Schatten der Mauer daneben und blickte Mazan aus ihren irisierenden Augen gelassen entgegen.
»Was ist das?«, fragte er Louise.
»Das ist ein Museum«, erklärte Louise. »Sie nennen es Chapelle des Pénitents Blancs. Die Kapelle der Weißen Büßer. Es war mal eine Kirche. Jetzt steht altes Zeugs aus der Stadt und der Gegend darin, das sich Besucher anschauen dürfen.«
»Woher weißt du das alles?«
Die Siam bedachte ihn mit ihrem herablassenden Blick. »Weil das auf dem Schild an der Mauer steht«, sagte sie spitz.
»Du kannst lesen?«
»Du etwa nicht, mon Commissaire?«
Warum nur hatte er das Gefühl, dass Louise sich über seinen Namen lustig machte?
»Und die Frau da drin?«
»Die schließt morgens die Tür auf, setzt sich an den Tisch, liest oder schläft. Es kommen so gut wie nie Besucher. Darum treffen wir uns hier, wenn es etwas zu besprechen gibt. Zum Beispiel, dass ein neuer Kater in die Stadt gekommen ist und was wir mit ihm tun.«
Diese Siam spielte in der Katzengemeinde der Stadt eine wichtige Rolle, das begriff er immer deutlicher.
»Louise, was weißt du über die Katzen, die hier gestorben sind?«, wollte er nun wissen.
Die Schattenweiße wandte sich ab. Es hätte ihn nicht gewundert, wenn sie, ohne ihm zu antworten, davongelaufen wäre. Das war typisch für seine Artgenossen. Unangenehme Fragen ignorierten sie einfach.
Louise aber war anders. Sie hatte als Erste verstanden, dass er etwas gegen den Katzenmörder unternehmen wollte, und ihn unterstützt. Und sie konnte lesen.
»Warum willst du das wissen?«, fragte sie jetzt prüfend.
»Ich bin nicht aus der Wildnis in die Stadt gekommen, um hier ein Leben in Angst zu führen.«
Sie betrachtete ihn sehr genau aus ihren klaren, blauen Augen. Dann wandte sie sich an Manon, die das Gespräch wortlos verfolgte: »Vielleicht hast du doch recht gehabt.«
Die Himmelsläuferin schmatzte nur leise und legte den Kopf zufrieden auf die Pfoten.
»Was? Aber womit denn?«, fragte Mazan überrascht.
»Manon hat behauptet, dass du anders bist. Und dass sich mit deinem Eintreffen in der Stadt die Dinge ändern würden.«
Mazan musterte die Ingwerfarbene und fragte sich einmal mehr, was wohl in ihrem Kopf vorging.
»Aber nach deinem ersten Auftritt war ich davon nicht sehr überzeugt«, fügte die Siam spöttisch an.
Der Kampf hätte auch anders ausgehen können. Aber das war eine Sache zwischen ihm und Rocky. Und nur zwischen ihm und Rocky.
»Also, was weißt du über die toten Katzen?«, kam er auf seine Anfangsfrage zurück.
Louise blinzelte. Dann erzählte sie: Die Katzen wären immer vorher in dem Garten des Hauses gewesen, in dem Manons Freundin Julie tot aufgefunden worden war. Zur gleichen Zeit wären dort unheimliche Dinge passiert. Hinter den verriegelten Fenstern hätten die Katzen Schmerz und Qual wahrgenommen. Seither wäre das Haus »das verbotene Haus« und der Garten der »verbotene Garten«.
»Keiner von uns betritt ihn. Aber als Manon sah, dass Julie in das Haus wollte, hat sie versucht, ihre Freundin davon abzuhalten.«
Manons Lider senkten sich über die Augen, um ihre Gefühle zu verbergen.
»Wäre es ihr doch nur gelungen«, fügte Louise leise hinzu.
Lieutenant Zadira hatte von Festen gesprochen, die in dem Haus gefeiert wurden.
Aber wieso wurden die Katzen getötet?
»Louise«, sagte Mazan
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