Commissaire Mazan und die Erben des Marquis: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)
Blaulicht hinter die Windschutzscheibe und betrat Chabrands Boutique »Elle«.
Die Türklingel funktionierte nicht. Im Inneren der Edelboutique roch es nach teurem Leder, Holz und raffiniertem Parfüm. Musik schallte aus verborgenen Boxen.
»Kann ich Ihnen helfen?«, fragte die sehr schicke, sehr dünne Verkäuferin hinter dem langen, polierten Tresen.
»Was würden Sie mir denn empfehlen?«, fragte Zadira.
»Wenn ich ehrlich sein soll, einen Gang zu Zara oder H&M«, gab die Blonde mit einem boshaften Lächeln zurück.
Zadira zückte ihren Ausweis.
»Natalie Chabrand?«
»Die Chefin ist nicht da.«
»Und wo ist sie?«
»Ich weiß es nicht. Leider.«
»Natürlich. Leider haben wir in Madames Wohnung einen Einbrecher erschossen.«
»Oh!«, machte die Blonde und verriet ihr daraufhin Chabrands Aufenthalt.
Zadira betrat den Tee-Salon Jardin Mazarin in der Rue du 4. Septembre zwei Minuten später. Sie hatte sich Natalies Gesicht auf dem Foto, das ihr Djamal geschickt hatte, gut eingeprägt – aufgenommen auf einer Pressekonferenz über Aix’ Kunstfestival, wo Chabrand als Beraterin auftrat.
Sie war siebenunddreißig, hatte ihr Haar in einem prächtigen, glanzvollen Mahagonirot gefärbt. Zadira vermutete, dass Chabrands Frisur mehr gekostet hatte, als sie an Miete zahlte.
In dem modernen Bistro saßen gut gekleidete Männer und Frauen auf weißen Lederbänken bei ihrem überteuerten Frühstück. Zadira spürte die Blicke unter sorgfältig getuschten Wimpern, als sie das Mazarin durchquerte.
Natalie Chabrand saß mit elegant übereinandergeschlagenen Beinen im überdachten Garten an einem Metalltisch und rauchte mit fahrigen Handbewegungen eine dünne Mentholzigarette.
Sie trug ein helles Kostüm, Schlangenleder-Pumps mit zwölf Zentimeterabsätzen und eine auffällige Y-Kette mit rosa Saphiren, die Zadira aber erst bemerkte, als sie sich ohne ein Wort auf den Stuhl gegenüber von Natalie Chabrand warf, ihre Baseballkappe abnahm und auf den Tisch warf.
»Gut. Wo waren wir stehen geblieben?«, fragte Zadira so laut, dass Chabrand erschreckt aufsah und sich sogleich umschaute.
»Was soll das? Wer sind Sie?«
»Die Frau, die Sie angelogen haben. Sie kennen Victorine Hersant sehr gut. Sie wohnen bei ihr.«
Bei diesen Worten zeigte Zadira kurz ihren Ausweis.
»Was … aber sie ist nur meine Vermieterin. Ich kenne sie nicht persönlich!«, behauptete Chabrand rasch.
Sie nahm hektisch das edle Dupont-Feuerzeug vom Tisch, räumte die Zigarettenschachtel und das ausgeschaltete Handy in ihre Prada.
Natalie Chabrand winkte dem Kellner.
»Pierre, ich zahle!«
»Pierre, und einen Espresso bitte!«, rief Zadira laut hinterher.
Zadira legte Chabrand ihr Smartphone hin. »Schauen Sie mal. Das ist Julie Roscoff. Sie besitzt rotes Haar wie Sie. Julie Roscoff wurde sexuell missbraucht und danach getötet. Vermutlich von Ihren lieben Freunden.«
»Was soll das? Laufen Sie hier herum und verleumden Leute?«
»Schauen Sie sich das Bild an.«
»Ich wüsste nicht, warum ich das tun sollte.«
Jetzt wirkte Chabrand nicht mehr peinlich berührt, sondern geradezu hasserfüllt.
»Ihre lieben Freunde haben auch ein junges Mädchen in Lacoste auf dem Gewissen. Élaine. Sie kannten Élaine doch? Sie war erst siebzehn. Zwei Jahre jünger als Julie.«
»Ich weiß nicht, was das mit mir zu tun haben soll«, fauchte Natalie, stand auf, warf einen Zwanzigeuroschein auf den Tisch und ging.
Zadira folgte ihr. Als ihnen Pierre, der Kellner, entgegenkam, legte Zadira ihm vier Euro aufs Tablett, nahm den Espresso und trank ihn aus.
»Danke, und entschuldigen Sie den Aufruhr«, sagte sie, als sie die leere Tasse auf einem Tisch im Gastraum abstellte.
Dann folgte sie Natalie, die auf ihren Pumps wütend und mit kleinen Schritten den Bürgersteig hinabstöckelte. Es war nicht schwer für Zadira, zu ihr aufzuschließen.
»Werden Sie von diesen Menschen bedroht, Madame Chabrand?«
Natalie schwieg eisern und stakste weiter.
»Sie müssen sie nicht schützen. Es sind Tatverdächtige in einem Mord an einem jungen, naiven, sehr lieben Mädchen. Sie versuchen, sich rauszulavieren. Sie können helfen, der Wahrheit auf die Spur zu kommen.«
»Gehen Sie doch einfach weg!«
»Madame, ich bitte Sie, es werden noch mehr Mädchen folgen, sie werden missbraucht, sie werden zerstört, ihr Körper, ihre Seelen! Sie sind verpflichtet …«
»Nein!«
Chabrand blieb stehen und funkelte Zadira wütend an. »Das bin ich nicht. Ich bin nicht
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