Commissario Montalbano 01 - Die Form des Wassers
gefunden?«
»Was hätte ich denn deiner Meinung nach finden sollen? Nichts. Das heißt, Fingerabdrücke, ja, aber so viele und alle so undeutlich, daß man sie nicht identifizieren kann. Was soll ich mit ihr machen?«
»Schick sie mir noch heute im Laufe des Tages zurück. Im Laufe des Tages, verstanden?«
Vom Nebenzimmer drang Fazios Stimme zu ihm herüber.
»Verflixt noch mal, weiß denn keiner, wem diese verdammte Chemiefabrik gehört hat? Es wird doch einen Konkursverwalter oder Hausmeister geben!«
Kaum sah er Montalbano eintreten: »Hab' das Gefühl, es ist leichter, die Schlüssel des heiligen Petrus zu kriegen.« Der Commissario sagte ihm, daß er noch mal weg müsse und frühestens nach zwei Stunden wieder zurück sei. Bei seiner Rückkehr wolle er die Schlüssel auf seinem Tisch liegen haben.
Kaum hatte Montapertos Ehefrau ihn auf der Türschwelle erblickt, wurde sie blaß und legte sich eine Hand aufs Herz.
»O mein Gott! Was is' los? Was is' passiert?«
»Nichts, weswegen Sie sich sorgen müßten. Im Gegenteil, ich habe gute Nachrichten mitgebracht, glauben Sie mir. Ist Ihr Mann zu Hause?«
»Jaja, heute hat er früh Feierabend gemacht.«
Die Frau bat ihn in die Küche und ging Saro rufen, der sich im Schlafzimmer neben den Kleinen gelegt hatte, um ihn zum Einschlafen zu bringen. »Setzt euch«, sagte der Commissario, »und hört mir aufmerksam zu. Wohin wolltet ihr euren Sohn eigentlich bringen mit dem Geld, das ihr für die Kette bekommen hättet?«
»Nach Belgien«, antwortete Saro prompt, »dort lebt mein Bruder. Er hat gesagt, daß wir für einige Zeit bei ihm wohnen können.«
»Habt ihr das Geld für die Reise?«
»Vom Munde abgespart, ja, ein bißchen haben wir zur Seite legen können«, sagte die Frau nicht ohne einen Hauch von Stolz.
»Aber es reicht nur für die Reise«, präzisierte Saro. »Sehr gut. Du gehst also noch heute zum Bahnhof und kaufst die Fahrkarten. Nein, nimm besser den Bus und fahr nach Raccadali, dort ist ein Reisebüro.«
»Ja, natürlich. Aber warum soll ich bis nach Raccadali fahren?«
»Ich will nicht, daß sich hier in Vigàta herumspricht, was ihr vorhabt. Inzwischen kann die Signora die Koffer packen. Sagt niemandem, nicht einmal euren Familienangehörigen, wohin ihr fahrt. Ist das klar?«
»Sonnenklar. Aber entschuldigen Sie, Commissario, was soll daran schlecht sein, daß wir nach Belgien fahren, um unseren Sohn behandeln zu lassen? Sie bitten mich, zu schweigen wie ein Grab, als handele es sich um etwas Gesetzwidriges.«
»Saro, du tust nichts, was gegen das Gesetz verstößt, das wollen wir mal klarstellen. Aber ich möchte die Dinge unter Kontrolle haben, deswegen mußt du mir vertrauen und nur das tun, was ich dir sage.«
»Ist gut, aber falls Sie es vergessen haben: Wozu sollen wir überhaupt nach Belgien fahren, wenn unser Geld gerade mal für die Reise reicht? Zu einem Ausflug?«
»Ihr werdet genügend Geld haben. Morgen früh wird euch einer meiner Beamten einen Scheck über zehn Millionen Lire bringen.«
»Zehn Millionen? Und wofür?« fragte Saro atemlos. »Die stehen dir rechtmäßig zu, das ist die Belohnung dafür, daß du das Schmuckstück gefunden und mir ausgehändigt hast. Dieses Geld könnt ihr offen ausgeben, ohne Probleme. Sobald du den Scheck in der Hand hast, löst du ihn schnell ein, und ihr fahrt los.«
»Von wem ist der Scheck?«
»Vom Awocato Rizzo.«
»Ah.«
Saros Gesicht verfinsterte sich. »Du brauchst keine Angst zu haben. Die Sache ist vollkommen legal, und ich habe sie fest im Griff. Dennoch ist es besser, alle Vorsichtsmaßnahmen zu treffen, ich möchte nicht, daß Rizzo sich womöglich wie einer dieser miesen Dreckskerle verhält, die es sich hinterher anders überlegen und einfach kneifen. Zehn Millionen sind und bleiben zehn Millionen.«
Giallombardo richtete ihm aus, daß der Brigadiere die Schlüssel für die alte Fabrik holen gegangen sei. Es werde aber mindestens zwei Stunden dauern, denn der Hausmeister, dem es gesundheitlich nicht gut gehe, sei in Montedoro bei jemandem zu Gast. Außerdem, berichtete der Beamte, habe der Richter Lo Bianco angerufen. Der Commissario solle ihn vor zehn Uhr zurückrufen.
»Ah, Commissario, welch ein Glück! Ich wollte gerade weggehen, bin auf dem Weg zur Kathedrale, wegen der Beerdigung. Ich gehe davon aus, daß bedeutende Persönlichkeiten über mich herfallen werden, im wahrsten Sinne des Wortes. Sie werden mir alle dieselbe Frage stellen. Und wissen Sie
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