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Commissario Montalbano 01 - Die Form des Wassers

Commissario Montalbano 01 - Die Form des Wassers

Titel: Commissario Montalbano 01 - Die Form des Wassers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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totgeschwiegen worden. Folglich gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder log Baba, oder es log die Tochter der Hausangestellten. Nach unanfechtbarer Meinung der hohen römischen Prälaten war die Lügnerin die Bedienstete (wie könnte es auch anders sein?), Giacomo war zeugungsunfähig (und dafür hätte man dem Allermächtigsten danken müssen). Die Annullierung in der Tasche, verlobt Baba sich mit einem Cousin, mit dem sie schon vorher eine Beziehung unterhielt, während es Giacomo in den nebligen Norden treibt, um zu vergessen. In Schweden hat er Gelegenheit, einer Art mörderischem Auto-Cross beizuwohnen, eine Strecke inmitten von Seen, Steilhängen und Bergen. Die Siegerin ist eine blonde Bohnenstange, von Beruf Mechanikerin. Ihr Name ist, du ahnst es, Ingrid Sjostrom. Was soll ich dir erzählen, mein Lieber, um zu vermeiden, daß das Schmalz von den Wänden trieft? Liebe auf den ersten Blick und Hochzeit. Nun leben sie seit gut fünf Jahren zusammen, ab und zu macht Ingrid eine Stippvisite in ihre Heimat und fährt ihre kleinen Autorennen. Ihrem Mann setzt sie mit schwedischer Nonchalance die Hörner auf. Neulich spielten fünf Gentlemen (das ist nur so eine Redensart) ein Gesellschaftsspiel im Polo-Club. Unter anderem ging es darum: Wer Ingrid nicht gehabt hatte, sollte aufstehen. Alle fünf blieben sitzen. Sie lachten viel, vor allem Giacomo, der dabei war, allerdings nicht mitgespielt hat. Man munkelt (unmöglich nachzukontrollieren), daß sich auch der gestrenge Professor Cardamone, seines Zeichens Vater des Ehemanns, das Vergnügen mit seinem Schwiegertöchterchen nicht hat entgehen lassen, um auf den Fehltritt zurückzukommen, von dem ich anfangs sprach. Sonst fällt mir im Moment nichts ein. Hoffe sehr, so geschwätzig gewesen zu sein, wie du es dir gewünscht hast. Leb wohl! Nicolò.«
    Gegen zwei Uhr kam er an der Mànnara an. Weit und breit war keine Menschenseele zu sehen. Das Schlüsselloch der kleinen Eisentür war völlig mit Salz und Rost verkrustet. Das hatte er vorhergesehen und sich daher Ölspray mitgebracht, mit dem man sonst Waffen schmiert. Er ging zum Wagen zurück und schaltete das Radio an, während er wartete, daß das Öl wirkte. Die Beerdigung - berichtete der Sprecher des lokalen Senders - hatte die Gemüter zutiefst bewegt, so sehr, daß die Witwe schließlich die Besinnung verlor und hinausgetragen werden mußte. Die Grabreden hatten der Reihe nach - gehalten: der Bischof, der stellvertretende Sekretär der nationalen Parteiorganisation, der Regionalsekretär, der Minister Pellicano, letzterer angesichts der immerwährenden Freundschaft, die ihn mit dem Toten verbunden hatte, in eigenem Namen. Eine Menge von mindestens zweitausend Menschen hatte auf dem Vorplatz der Kirche darauf gewartet, daß der Sarg herausgetragen wurde, um dann in einen ebenso stürmischen wie bewegten Applaus auszubrechen. Stürmisch mag ja noch angehen, aber wie kann denn ein Applaus sich bewegen? fragte sich Montalbano. Er schaltete das Radio aus und ging zu der Tür, um den Schlüssel auszuprobieren.
    Der Schlüssel drehte sich, aber die Tür war wie in der Erde verankert. Montalbano stieß mit einer Schulter mehrmals dagegen, und endlich öffnete sie sich einen Spalt, gerade breit genug, daß er sich hindurchzwängen konnte. Die kleine Tür war durch Kalkschutt, Eisenstücke und Sand versperrt. Offenbar hatte sich der Hausmeister seit Jahren nicht mehr dort blicken lassen. Der Commissario sah, daß es zwei Umfassungsmauern gab: die Schutzmauer mit der kleinen Eingangstür und eine alte, halb verfallene Einfriedungsmauer, die die Fabrik umschlossen hatte, als sie noch in Betrieb war. Die Durchgänge dieser zweiten Mauer gaben den Blick frei auf verrostete Maschinen, dicke, teils gerade, teils gewundene Rohre, riesige Destillatoren, Eisenträger mit gewaltigen Rissen, Gerüste, die sich in absurdem Gleichgewicht hielten, Stahltürme, die mit irrwitziger Neigung in die Höhe ragten. Und überall aufgerissene Fußbodenbeläge, aufgeschlitzte Decken, weite Hallen, die einst von dem mittlerweile in weiten Teilen auseinandergebrochenen Eisengebälk überdacht gewesen waren. Es fehlte nicht viel, und alles würde herabstürzen, dorthin, wo nichts mehr war als eine zerfallende Zementschicht, aus deren Rissen vergilbte Grasbüschel sprossen. Montalbano blieb zwischen den beiden Mauerringen stehen. Er war wie betäubt von dem Anblick. Hatte ihm die Fabrik von außen gefallen, so versetzte ihr Inneres ihn geradezu in

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