Commissario Montalbano 01 - Die Form des Wassers
lagen zwei Paar Jeans und einige Blusen. Eine Schublade war leer, in der anderen befanden sich winzige Schlüpfer, kein Büstenhalter. Und während er sich bückte, um den Inhalt der zweiten Schublade besser durchsuchen zu können, begriff Montalbano, was ihn so verblüfft hatte. Es war nicht so sehr der Anblick der weiblichen Kleidungsstücke als vielmehr das Parfüm, das sie ausströmten - den gleichen Duft, nur weniger intensiv, hatte er in der alten Fabrik gerochen, beim Öffnen der Handtasche.
Sonst gab es nichts zu sehen, und nur aus Gewissenhaftigkeit beugte er sich hinab, um einen Blick unter die Möbel zu werfen. Eine Krawatte hatte sich um die hinteren Bettfüße geschlungen. Er hob sie auf. Dabei fiel ihm ein, daß man Luparello mit offenem Hemdkragen gefunden hatte. Er zog die Fotografien aus der Jackentasche und vergewisserte sich, daß die Krawatte von der Farbe her bestens zum Anzug des Ingenieurs paßte, den er zum Zeitpunkt des Todes getragen hatte.
Im Kommissariat traf er Germanà und Galluzzo völlig aufgeregt an.
»Und der Brigadiere?«
»Fazio ist mit den anderen an der Tankstelle, der in Richtung Marinella. Da gab es eine Schießerei.«
»Ich fahr' gleich hin. Ist irgend etwas für mich angekommen?«
»Ja, ein Päckchen von Dottor Jacomuzzi.«
Er schnürte es auf, es war das Schmuckstück, das er dann wieder einwickelte.
»Germanà, du kommst mit mir, wir fahren zur Tankstelle. Du setzt mich dort ab und fährst mit meinem Wagen weiter nach Montelusa. Ich werde dir unterwegs sagen, was du zu tun hast.«
Er ging in sein Zimmer und rief den Advokaten Rizzo an, um ihm mitzuteilen, daß die Kette unterwegs sei. Der Scheck über zehn Millionen Lire sei dem Überbringer auszuhändigen, fügte er hinzu. Während sie auf dem Weg zum Ort der Schießerei waren, erklärte der Commissario Germanà, daß er Rizzo das Päckchen keinesfalls aushändigen durfte, ehe er nicht den Scheck in der Tasche hatte. Und diesen Scheck müsse er - er gab ihm die Adresse - Saro Montaperto bringen und diesem nahelegen, ihn gleich am nächsten Tag einzulösen, sobald die Banken öffneten. Montalbano konnte sich den Grund nicht erklären, und das war ihm höchst unangenehm, aber er spürte, daß der Fall Luparello auf eine baldige Lösung zusteuerte.
»Soll ich Sie auf dem Rückweg an der Tankstelle abholen?«
»Nein, du bleibst im Kommissariat. Ich fahr' mit dem Streifenwagen zurück.«
Der Streifenwagen und ein Privatfahrzeug versperrten die Zufahrten zur Tankstelle. Kaum war er ausgestiegen - Germanà war weiter in Richtung Montelusa gefahren -, wurde der Commissario von strengem Benzingeruch umhüllt.
»Passen Sie auf, wo Sie hintreten!« schrie Fazio ihm zu. Das Benzin hatte eine Lache gebildet, die Ausdünstungen riefen in Montalbano Übelkeit und eine leichte Benommenheit hervor. Ein Auto mit Palermitaner Nummernschild stand mit zersplitterter Windschutzscheibe an der Tankstelle.
»Es hat einen Verletzten gegeben«, sagte der Brigadiere. »Den Fahrer. Man hat ihn mit dem Krankenwagen weggebracht.«
»Schwer verletzt?«
»Nein, eine Lappalie. Aber er hat einen riesigen Schreck bekommen.«
»Was genau ist passiert?«
»Wenn Sie selbst mit dem Tankwart sprechen wollen…«
Auf die Fragen des Commissario antwortete der Mann mit solch schneidender Stimme, daß es Montalbano so vorkam, als würde jemand mit einem Nagel Glas ritzen.
Der Ablauf war in etwa folgender gewesen: Ein Wagen hatte angehalten, der einzige Insasse verlangte ›Volltanken‹, der Tankwart steckte den Stutzen in den Tank und ließ ihn dort. In der Zwischenzeit war nämlich ein weiteres Auto angekommen, dessen Fahrer um Benzin für dreißigtausend Lire gebeten hatte und den Ölstand geprüft haben wollte. Während der Tankwart auch den zweiten Kunden bediente, wurden von einem Auto auf der Straße aus Schüsse aus einer Maschinenpistole abgefeuert, dann beschleunigte der Wagen und mischte sich unter den Verkehr. Der Mann, der am Steuer des ersten Autos saß, war sofort losgefahren und hatte die Verfolgung aufgenommen. Der Schlauch lag auf dem Boden, und das Benzin floß weiter. Der Fahrer des zweiten Wagens schrie wie ein Irrer, er hatte einen Streifschuß an der Schulter abbekommen. Nachdem die erste Panik vorüber war und der Tankwart begriff, daß keine Gefahr mehr drohte, hatte er dem Verletzten erste Hilfe geleistet. Unterdessen war das Benzin weiter aus dem Schlauch geflossen.
»Hast du den Mann aus dem ersten Wagen, den, der die
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