Commissario Montalbano 01 - Die Form des Wassers
Verfolgung aufgenommen hat, aus der Nähe gesehen?«
»Nein.«
»Bist du dir ganz sicher?«
»So sicher wie das Amen in der Kirche.«
Inzwischen war die von Fazio alarmierte Feuerwehr eingetroffen.
»Also, paß auf«, sagte Montalbano zum Brigadiere, »Sobald die Feuerwehr fertig ist, schnappst du dir den Tankwart, dessen Geschichte mich nicht im geringsten überzeugt, und bringst ihn aufs Kommissariat. Setz ihm die Daumenschrauben an. Der weiß genau, wer der Mann war, den sie erschießen wollten.«
»Das glaube ich auch.«
»Wollen wir wetten, daß es einer vom Cuffaro-Clan ist? Diesen Monat, glaube ich, ist einer von denen dran.«
»Wollen Sie mich etwa arm machen?« fragte der Brigadiere lachend. »Die Wette haben Sie bereits gewonnen.«
»Auf Wiedersehen.«
»Wo wollen Sie denn hin? Soll ich Sie mit dem Streifenwagen fahren?«
»Ich gehe nach Hause, mich umziehen. Von hier sind es nur zwanzig Minuten zu Fuß. Ein wenig frische Luft wird mir guttun.«
Er machte sich auf den Weg. Er hatte keine Lust, Ingrid Sjostrom wie ein Dressman gegenüberzutreten.
Zwölf
Kaum der Dusche entstiegen, machte er es sich, noch nackt und tropfnaß, vor dem Fernseher gemütlich. Aufnahmen von Luparellos Beerdigung, die am Morgen stattgefunden hatte, flimmerten über den Bildschirm. Der Kameramann hatte klar erkannt, daß die einzigen Personen, die der Feier eine gewisse Dramatik verleihen konnten, das Trio aus Witwe, Sohn Stefano und Neffe Giorgio waren. Ansonsten erinnerte die Zeremonie stark an eine der vielen, langweiligen offiziellen Veranstaltungen. Die Signora zuckte ab und an nervös mit dem Kopf, warf ihn leicht zurück, als würde sie wiederholt nein sagen. Dieses Nein interpretierte der Kommentator mit seiner leisen, mitleidsvollen Stimme als eine deutliche Geste des Lebens, das sich der Konkretheit des Todes verweigere. Aber während der Kameramann den Zoom auf die Signora richtete, bis er ihren Blick auffing, fand Montalbano das bewahrheitet, was die Witwe ihm bereits bestätigt hatte: In ihren Augen lagen nur Verachtung und Gleichgültigkeit. Neben ihr saß der Sohn, »Starr vor Schmerz«, wie der Sprecher erklärte. Er beschrieb ihn als starr, nur weil der junge Ingenieur eine Gefaßtheit an den Tag legte, die an Gleichgültigkeit grenzte. Giorgio hingegen wankte wie ein Baum im Wind, aschfahl im Gesicht, ein tränennasses Taschentuch in den Händen, das er ununterbrochen zusammenknüllte.
Das Telefon läutete. Montalbano nahm den Hörer ab und antwortete, ohne dabei den Blick vom Fernseher abzuwenden.
»Commissario, ich bin's, Germanà. Alles okay. Der Avvocato Rizzo bedankt sich bei Ihnen und meint, er werde schon Mittel und Wege finden, sich erkenntlich zu zeigen.«
Auf einige dieser Mittel und Wege des Advokaten, sich erkenntlich zu zeigen, hätten die Gläubiger gerne verzichtet, munkelte man.
»Dann bin ich zu Saro gegangen, um ihm den Scheck zu geben. Ich mußte sie regelrecht überreden, die beiden, sie waren einfach nicht zu überzeugen, hielten das für einen dummen Scherz, dann haben sie mir die Hände geküßt. Ich erspare Ihnen all das, was der Herrgott ihrer Meinung nach für Sie tun müßte. Das Auto steht vorm Kommissariat. Was mach' ich damit, soll ich es zu Ihnen nach Hause bringen?«
Der Commissario schaute auf die Uhr. Bis zum Treffen mit Ingrid war es noch eine gute Stunde. »In Ordnung, aber laß dir Zeit. Sagen wir, du bist um halb zehn hier. Ich fahre dich dann in die Stadt zurück.«
Er wollte den Augenblick der vorgetäuschten Ohnmacht nicht versäumen. Er fühlte sich wie ein Zuschauer, dem der Zauberkünstler den Trick schon vorher verraten hat, so daß er sein Vergnügen nicht mehr in der Überraschung, sondern in der Bewunderung der Geschicklichkeit findet. Allerdings hatte der Kameramann diesen Moment versäumt. Er schaffte es nicht rechtzeitig, die Kamera herumzureißen, wenn er auch schnell von der Nahaufnahme des Ministers zur Gruppe der Familienangehörigen hinüberschwenkte. Stefano und zwei Freiwillige trugen die Signora bereits nach draußen, während Giorgio an seinem Platz blieb und weiter hin und her wankte.
Statt Germanà vor dem Kommissariat abzusetzen und weiterzufahren, stieg Montalbano mit ihm aus. Er traf Fazio an, der aus Montelusa zurückgekommen war. Er hatte mit dem Verletzten gesprochen, als dieser sich endlich beruhigt hatte. Es handelte sich, erzählte der Brigadiere, um einen Vertreter für Elektrogeräte, der alle drei Monate mit dem Flugzeug
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