Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Commissario Montalbano 01 - Die Form des Wassers

Commissario Montalbano 01 - Die Form des Wassers

Titel: Commissario Montalbano 01 - Die Form des Wassers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
Vom Netzwerk:
das ich nicht erkennen konnte. Ich bekam es mit der Angst zu tun, dachte, es sei eine Waffe. Er ist auf mich zu gekommen, ich hatte das Seitenfenster offen, und ohne ein einziges Wort zu sagen, hat er mir mit diesem Ding eins übergebraten. Da wußte ich dann auch, daß es ein Schraubenschlüssel war.«
    »Brauchen Sie Hilfe?«
    »Nein, es hört schon auf zu bluten.«
    »Möchten Sie Anzeige erstatten?«
    »Bringen Sie mich bloß nicht zum Lachen, mir tut mein Kopf weh.«
    »Soll ich Sie ins Krankenhaus begleiten?«
    »Würden Sie sich, bitte schön, um Ihren eigenen Scheiß kümmern?«
    Wie lang mochte es her sein, daß er einmal eine ganze Nacht so richtig tief und fest durchgeschlafen hatte? Und jetzt kam auch noch dieser verdammte Schmerz im Nacken hinzu, der ihm keine Ruhe ließ. Es tat weh, ob er nun auf dem Bauch oder auf dem Rücken lag, das machte keinen Unterschied. Der Schmerz hielt unvermindert an, bohrend, beißend, aber ohne zu stechen, was das Ganze vielleicht noch unerträglicher machte. Montalbano knipste das Licht an, es war vier Uhr. Auf dem Nachttischchen lagen noch immer die Salbe und die Mullbinde. Er griff danach, rieb sich vor dem Badezimmerspiegel ein wenig von der Salbe auf den Nacken, in der Hoffnung, sie möge ihm Linderung verschaffen. Dann umwickelte er sich mit der Binde den Hals, klebte das Ende des Mulls mit einem Stück Heftpflaster fest. Vielleicht hatte er den Verband etwas zu fest angelegt, zumindest hatte er Schwierigkeiten, den Hals zu drehen. Er schaute in den Spiegel. Und genau in dem Moment schoß ihm ein Gedanke wie ein gleißendes Licht blitzartig durch den Kopf und ließ selbst das hell erleuchtete Bad dunkel wirken. Er fühlte sich wie eine jener Zeichentrickfiguren, die mit ihren Röntgenaugen durch die Dinge hindurchsehen können. Im Gymnasium hatte er einen alten Pfarrer als Religionslehrer gehabt. »Die Wahrheit ist Licht«, hatte dieser eines Tages gepredigt.
    Montalbano war ein fauler Schüler gewesen, der wenig lernte und immer in der hintersten Reihe saß. »Das würde ja dann heißen, wenn in einer Familie alle die Wahrheit sagen, sparen sie Strom.«
    Das war sein laut gedachter Kommentar gewesen. Daraufhin war er aus dem Klassenzimmer geflogen. Jetzt, mehr als dreißig Jahre später, bat er den alten Pfarrer im Geiste um Entschuldigung.
    »Sie sehen vielleicht mißmutig aus!« rief Fazio, als er Montalbano ins Kommissariat kommen sah. »Fühlen Sie sich nicht gut?«
    »Laß mich in Ruhe«, gab Montalbano zurück. »Nachrichten von Gambardella? Habt ihr ihn gefunden?«
    »Nichts. Verschwunden. Ich habe mich schon darauf eingestellt, daß wir ihn irgendwo auf dem platten Land von Hunden angenagt finden werden.«
    Aber in der Stimme des Brigadiere schwang irgend etwas mit, das den Commissario mißtrauisch machte. Er kannte ihn schon zu lange. »Was ist los?«
    »Na ja, Gallo ist zur Notaufnahme gefahren, er hat sich am Arm verletzt, nichts Ernstes.«
    »Wie ist denn das passiert?«
    »Mit dem Streifenwagen.«
    »Ist er wieder gerast? Ist er irgendwo gegengefahren?«
    »Ja.«
    »Muß man dir die Worte mit der Kneifzange aus der Nase ziehen?«
    »Na ja, ich habe ihn zum Noteinsatz auf den Markt in den Ort geschickt. Da war eine Schlägerei im Gange, und er ist Hals über Kopf los. Sie wissen ja, wie er ist, er kam ins Schleudern und ist gegen einen Pfahl geprallt. Das Auto haben sie auf unseren Parkplatz nach Montelusa geschleppt. Sie haben uns ein anderes gegeben.«
    »Sag mir die Wahrheit, Fazio! Haben sie ihm wieder die Reifen aufgeschlitzt?«
    »Ja.«
    »Und Gallo hat vorher nicht nachgesehen, wie ich es ihm schon hundertmal gesagt habe? Will das denn einfach nicht in eure Köpfe reingehen, daß das Reifenaufschlitzen zum Nationalsport in diesem Scheißland geworden ist? Sag ihm, er soll sich heute bloß nicht im Büro blicken lassen, denn wenn ich ihn sehe, schlag ich ihm die Fresse ein.«
    Er knallte wütend die Tür seines Zimmers zu. Dann kramte er in einer Blechdose, in der er alles mögliche aufbewahrte, von Briefmarken bis zu losen Knöpfen, fand den Schlüssel der alten Fabrik und ging grußlos davon.
    Während er auf dem morschen Balken saß, neben dem er Ingrids Tasche gefunden hatte, betrachtete er den undefinierbaren Gegenstand, den er das letzte Mal für eine Muffe, eine Art Verbindungsmanschette für Rohre, gehalten hatte. Nun erkannte er eindeutig, was es war: eine Halskrause, wie neu, nur von nahem sah man, daß sie gebraucht war. Ihr Anblick

Weitere Kostenlose Bücher