Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta
Leintuch zu wickeln.
»Commissario Montalbano? Hier ist Luciano Acquasanta vom ‚Mezzogiorno’. Würden Sie mir freundlicherweise ein Interview gewähren?«
»Nein.«
»Ich schwöre, es wird nicht lang dauern.«
»Nein.«
»Spricht da Commissario Montalbano? Hier ist Spingardi, Attilio Spingardi von der RAI in Palermo. Wir planen einen runden Tisch über das Thema...«
»Nein.«
»Lassen Sie mich doch ausreden!«
»Nein.«
»Liebling? Hier ist Livia. Wie fühlst du dich?«
»Gut. Warum?«
»Ich habe dich gerade im Fernsehen gesehen.«
» O Gesù ! Hat etwa ganz Italien zugeschaut?«
»Ich glaube schon. Aber es war nur eine kurze Geschichte.«
»Hat man gehört, was ich gesagt habe?«
»Nein, nur der Sprecher hat geredet. Aber man hat dein Gesicht gesehen, und das hat mir Sorgen gemacht. Du warst gelb wie eine Zitrone.«
»Auch noch in Farbe?!«
»Natürlich. Ab und zu hast du deine Hand auf die Augen oder die Stirn gelegt.«
»Ich hatte Kopfschmerzen, und die Lampen haben mich geblendet.«
»Ist es wieder gut?«
»Ja.«
»Commissario Montalbano? Hier ist Stefania Quattrini von ‚Essere Donna’. Wir möchten ein Interview am Telefon mit Ihnen machen, können Sie dranbleiben?«
»Nein.«
»Es dauert nur ein paar Sekunden.«
»Nein.«
»Habe ich die Ehre, tatsächlich mit dem berühmten Commissario Montalbano zu sprechen, der Pressekonferenzen abhält?«
»Ihr kostet mich den letzten Nerv!«
»Nein, nicht den letzten Nerv, keine Sorge. Aber dein Leben wird es dich kosten.«
»Wer spricht da?«
»Dein Tod. Ich wollte dir nur sagen, daß du da nicht ungeschoren rauskommst, du verdammter Schauspieler! Wen wolltest du denn mit dem ganzen Theater mit deinem Freund Tano reinlegen? Du hast versucht, uns zu verarschen, und wirst dafür bezahlen!«
»Pronto? Pronto?«
Die Verbindung war unterbrochen worden. Montalbano kam gar nicht dazu, diese Drohungen zu verstehen und darüber nachzudenken, denn er begriff, daß der anhaltende schrille Ton, den er schon eine ganze Zeitlang in den Geräuschpegel der Anrufe hinein gehört hatte, von der Türklingel kam.
Wer weiß, warum er überzeugt war, daß es sich um einen besonders gewieften Journalisten handelte, der gleich bei ihm persönlich erschien. Wütend lief er an die Tür und schrie, ohne zu öffnen: »Wer, zum Teufel, ist da?«
»Der Questore.«
Was wollte der denn von ihm, zu Hause, um diese Uhrzeit und ohne ihn vorher zu verständigen? Er schlug den Riegel zurück und riß die Tür auf.
»Buongiorno, kommen Sie herein«, sagte er und trat auf die Seite.
Der Questore rührte sich nicht von der Stelle. »Wir haben keine Zeit zu verlieren. Machen Sie sich fertig, und kommen Sie zu mir in den Wagen.«
Er drehte sich um und ging. Als Montalbano an dem großen Spiegel in der Schranktür vorbeiging, begriff er, was der Questore mit »Machen Sie sich fertig« gemeint hatte. Er war splitterfasernackt.
Der Wagen trug nicht die Aufschrift der Polizei, sondern das Kennzeichen der Mietautos, und auf dem Fahrersitz saß ein Beamter in Zivil von der Questura in Montelusa, den Montalbano kannte. Kaum war er eingestiegen, sagte der Questore: »Tut mir leid, aber ich konnte Sie nicht vorher verständigen, Ihr Telefon war dauernd besetzt.«
»Stimmt.«
Er hätte die Telefonleitung natürlich von Amts wegen unterbrechen lassen können, aber das paßte nicht zu seiner freundlichen und diskreten Art. Montalbano erklärte ihm nicht, warum sein Telefon ihm keine Ruhe gegönnt hatte, das war jetzt unmöglich, er hatte seinen Chef noch nie so düster erlebt, er sah abgespannt aus, sein Mund war maskenhaft verzerrt.
Etwa eine Dreiviertelstunde, nachdem sie in die Straße eingebogen waren, die von Montelusa nach Palermo führt – und der Fahrer fuhr sehr schnell –, sah der Commissario auf die Landschaft seiner Insel hinaus, die er am liebsten hatte.
»Findest du es hier wirklich schön?« hatte Livia ihn vor ein paar Jahren ungläubig gefragt, als er ihr diese Gegend zeigte.
Karge Anhöhen, fast wie riesige Hügelgräber, die nur von trockenem gelbem Stoppelgras überwachsen und von den Menschen irgendwann sich selbst überlassen worden waren, weil die Trockenheit, die Hitze oder einfach die Erschöpfung in einem von vornherein verlorenen Kampf die Oberhand gewonnen hatten, ab und zu vom Grau fialenförmiger Felsen unterbrochen, sinnlos aus dem Nichts entstanden oder vielleicht vom Himmel gefallen, Stalaktiten oder Stalagmiten in dieser tiefen
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