Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta
Jedenfalls waren wir beide allein. Da bog er plötzlich in eine Nebenstraße ein, fuhr ein paar Kilometer weiter, blieb im Wald stehen, ließ mich aussteigen, zog mich aus, warf mich zu Boden und vergewaltigte mich wie üblich. Tags darauf fuhr ich mit meinem Mann nach Palermo, und als ich nach einer Woche zurückkam, war mein Schwiegervater plötzlich um Jahre gealtert, ganz zittrig. Seitdem meidet er mich regelrecht. Jetzt kann ich ihm auf einem Flur im Haus gegenüberstehen und muß nicht fürchten, daß er mich gegen die Wand drückt, eine Hand an meinem Busen und die andere zwischen meinen Beinen.«
»Ist doch besser so, oder?«
Über die Geschichte, die Ingrid ihm gerade erzählt hatte, wußte Montalbano mehr als sie. Der Commissario hatte von der Sache zwischen Ingrid und ihrem Schwiegervater schon erfahren, als sie sich zum erstenmal begegneten. Und eines Nachts, als sie miteinander schwatzten, hatte Ingrid plötzlich furchtbar geweint, die Situation mit dem Vater ihres Mannes war unerträglich geworden: Sie, die wirklich ein freier Mensch war, fühlte sich wie beschmutzt, verdorben durch diesen Beinahe-Inzest, zu dem sie gezwungen wurde; sie dachte daran, ihren Mann zu verlassen und nach Schweden zurückzukehren, ihr Brot könnte sie sich bestimmt verdienen, denn sie war eine hervorragende Automechanikerin.
Damals hatte Montalbano beschlossen, sich darum zu kümmern und ihr aus der Patsche zu helfen. Am nächsten Tag lud er die Inspektorin Anna Ferrara ein, die ihn liebte und überzeugt war, daß er mit Ingrid eine Affäre hatte. »Ich bin verzweifelt«, fing er an und verzog sein Gesicht wie ein bedeutender Tragöde.
»O Dio, was ist denn los?« fragte Anna und umschloß seine Hand mit den ihren.
»Ingrid betrügt mich.«
Er ließ den Kopf auf die Brust sinken und brachte sogar einen feuchten Schimmer in seine Augen.
Anna unterdrückte einen triumphierenden Aufschrei. Sie hatte es ja immer schon gewußt! Jetzt verbarg der Commissario das Gesicht in den Händen, und Anna war angesichts dieser verzweifelten Geste ganz erschüttert.
»Weißt du, ich wollte es dir eigentlich nicht sagen, um dir nicht weh zu tun. Aber ich habe ein paar Nachforschungen über Ingrid angestellt. Du bist nicht der einzige Mann.«
»Aber das wußte ich!« sagte der Commissario, das Gesicht immer noch in den Händen.
»Worum geht es dann?«
»Diesmal ist es anders! Es ist kein Abenteuer wie die vielen anderen, die ich ja verzeihen kann. Sie hat sich verliebt und wird wiedergeliebt!«
»Weißt du denn, in wen sie verliebt ist?«
»Ja, in ihren Schwiegervater.«
Anna fuhr zusammen. »O Gesù! Hat sie dir das gesagt?«
»Nein. Ich bin selber drauf gekommen. Sie streitet es ab. Sie streitet alles ab. Aber ich brauche einen sicheren Beweis, den ich ihr ins Gesicht schleudern kann. Verstehst du?«
Anna hatte sich erboten, ihm diesen sicheren Beweis zu liefern. Sie hatte sich so reingehängt, daß es ihr sogar gelungen war, Bilder von der »romantischen« Szene im Wald festzuhalten. Sie hatte sie von einer treuen Freundin, die beim Erkennungsdienst arbeitete, vergrößern lassen und dem Commissario gebracht. Ingrids Schwiegervater war nicht nur Chefarzt im Krankenhaus von Montelusa, sondern auch ein hochrangiger Politiker, und ins Parteibüro, ins Krankenhaus und nach Hause hatte Montalbano ihm eine erste vielsagende Dokumentation geschickt. Auf der Rückseite aller drei Fotos stand nur: Wir haben dich in der Hand. Dieses Bombardement hatte ihn offenbar zu Tode erschreckt, augenblicklich hatte er Karriere und Familienleben in Gefahr gesehen. Der Commissario behielt für alle Fälle noch zwanzig weitere Fotos bei sich. Ingrid hatte er nichts erzählt, sie brach sonst womöglich noch einen Streit vom Zaun, weil ihre schwedische Privatsphäre verletzt worden war.
Montalbano gab Gas, er war zufrieden, denn jetzt wußte er, daß die ausgeklügelte Strategie, die er in die Wege geleitet hatte, Wirkung zeigte.
»Fahr du den Wagen rein«, sagte Montalbano, stieg aus und machte sich am Rolladen der polizeieigenen Werkstatt zu schaffen. Als das Auto drinstand, schaltete er das Licht ein und ließ den Rolladen wieder herunter.
»Was habe ich zu tun?« fragte Ingrid. »Siehst du den ramponierten Cinquecento da? Ich will wissen, ob die Bremsen manipuliert waren.«
»Ich weiß nicht, ob ich das feststellen kann.«
»Versuch's.«
»Dann ist meine Bluse hin.«
»Ach ja, warte. Ich hab' was mitgebracht.«
Er nahm eine Plastiktüte von
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