Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta
zu ein Glas Wein. Am Ende war Montalbano von Tanos Argumenten überzeugt. Aber konnte er ihm trauen? Das war der Haken an der Sache. Montalbano war in seiner Jugend leidenschaftlicher Kartenspieler gewesen, was er, Gott sei Dank, in den Griff bekommen hatte. Er spürte, daß der andere ohne Tricks und gezinkte Karten spielte. Er mußte diesem Gefühl vertrauen und konnte nur hoffen, daß er sich nicht täuschte. Sorgfältig tüftelten sie die Festnahme bis ins kleinste Detail aus, um zu vermeiden, daß irgend etwas schiefging.
Als sie alles besprochen hatten, stand die Sonne schon hoch. Bevor der Commissario das kleine Haus verließ und mit der Theatervorstellung begann, sah er Tano fest in die Augen.
»Sagen Sie mir die Wahrheit.«
»Zu Befehl, Dutturi Montalbano.«
»Warum haben Sie sich ausgerechnet mich ausgesucht?«
»Weil Sie jemand sind, der begreift, worum es geht, wie Sie gerade bewiesen haben.«
Als Montalbano Hals über Kopf den Pfad zwischen den Weinreben hinunterrannte, fiel ihm ein, daß ausgerechnet Agatino Catarella im Kommissariat Wache hatte und das Telefongespräch, das er jetzt gleich führen wollte, in jedem Fall schwierig, wenn nicht sogar ein Quell verhängnisvoller und gefährlicher Mißverständnisse sein würde. Dieser Catarella war zu gar nichts zu gebrauchen. Er war schwer von Begriff und träge und bestimmt nur deswegen bei der Polizei angenommen worden, weil er ein entfernter Verwandter des ehemals allmächtigen Abgeordneten Cusumano war; dieser hatte nach einem im Ucciardone-Gefängnis verbrachten Sommer auch mit den neuen Machthabern wieder Kontakte geknüpft und sich auf diese Weise ein dickes Stück von jenem Kuchen gesichert, der sich wie von Zauberhand immer wieder erneuerte, man mußte nur ein paar kandierte Früchte austauschen oder frische Kerzen an die Stelle der heruntergebrannten stecken. Mit Catarella wurde alles noch komplizierter, wenn er, was oft vorkam, plötzlich auf die Idee kam, das zu sprechen, was er Italienisch nannte. Eines Tages war er bei Montalbano aufgetaucht und fragte mit besorgter Miene: »Dottori, kennen Sie vielleicht zufällig einen Arzt, so einen Spezialisten?«
»Spezialist für was, Catarè?«
»Für Geschlechtskrankheiten.«
Montalbano war vor Staunen der Mund offen stehengeblieben.
»Du?! Eine Geschlechtskrankheit? Wo hast du dir denn die eingefangen?«
»Ich weiß noch, daß ich krank geworden bin, als ich noch klein war, höchstens sechs oder sieben.«
»Was redest du da für einen Mist, Catarè? Bist du sicher, daß es eine Geschlechtskrankheit ist?«
»Klar, Dottori. Erst geht's mir gut, und dann geht's mir plötzlich schlecht. Eine Geschlechtskrankheit.«
Als Montalbano im Auto zu einer Telefonzelle unterwegs war, die vor der Abzweigung nach Torresanta stehen mußte (sie mußte da stehen, falls nicht der Hörer abgeschnitten und mitgenommen, der ganze Apparat geklaut, die Telefonzelle komplett verschwunden war), beschloß er, nicht einmal seinen Vice Mimì Augello anzurufen, denn dieser – da war nichts zu wollen – war fähig, erst den Journalisten Bescheid zu sagen und dann so zu tun, als wundere er sich über ihre Anwesenheit. So blieben nur Fazio und Tortorella, die beiden Brigadieri oder wie, zum Teufel, sie sich jetzt nannten. Er entschied sich für Fazio, Tortorella hatte vor einiger Zeit einen Bauchschuß abgekriegt; er war noch nicht wieder ganz auf dem Damm und hatte manchmal Schmerzen in der Wunde.
Wie durch ein Wunder war die Telefonzelle noch da, wie durch ein Wunder funktionierte auch das Telefon, und Fazio meldete sich schon beim zweiten Klingelton.
»Fazio, bist du etwa schon wach um diese Zeit?«
» Sissi . Vor einer halben Minute hat Catarella angerufen. «
»Was wollte er?«
»Ich hab' nicht viel verstanden, er hat italienisch geredet. Aber es sieht so aus, als hätten sie letzte Nacht den Supermarkt von Carmelo Ingrassia ausgeräumt, den großen außerhalb der Stadt. Und zwar mindestens mit einem T.I.R. oder einem ähnlich großen Laster.«
»War der Nachtwächter denn nicht da?«
»Er war da, ist aber nirgends zu finden.«
»Wolltest du hinfahren?«
» Sissi.«
» Überlaß es den anderen. Ruf gleich Tortorella an, sag ihm, er soll Augello Bescheid sagen. Die beiden sollen hinfahren. Sag, du kannst nicht kommen, erzähl ihnen irgendeinen Schwachsinn, daß du aus dem Bett gefallen und dir den Kopf angehauen hast oder so was. Halt, nein: Sag, daß die Carabinieri dich verhaftet haben. Oder noch
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