Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta
etwas verstimmt: Vielleicht bestand seine Aufgabe darin, Vater & Sohn Nicolosi bei ihren Machenschaften den Rücken zu decken, was ihm aber dieses Mal nicht gelungen war.
Das Büro war erst seit fünf Minuten geöffnet, als Geometra Tumminello, der Vermessungsingenieur, sich plötzlich Commissario Montalbano gegenübersah, der nicht sehr ausgeglichen wirkte. In der Tat hatte Montalbano eine unruhige Nacht hinter sich, er hatte nicht schlafen können und Faulkner gelesen. Der Geometra, dessen Sohn ein Herumtreiber war, der seine Zeit mit zwielichtigen Gestalten, Schlägereien und Motorrädern verbrachte und auch diese Nacht nicht heimgekommen war, wurde blaß, und seine Hände begannen zu zittern. Montalbano, dem Tumminellos Reaktion auf sein Erscheinen nicht verborgen blieb, kam – er war und blieb ein Bulle, da konnte er noch so viele gute Bücher lesen – ein böser Gedanke: Der hat was zu verbergen.
»Was gibt's?« fragte Tumminello und war auf die Mitteilung gefaßt, sein Sohn sei festgenommen worden. Das wäre sogar ein Glück oder zumindest das kleinere Übel: Seine Kumpane konnten ihn schließlich auch umgebracht haben.
»Ich brauche eine Information. Über eine Enteignung.«
Tumminello entspannte sich merklich.
»Na, haben Sie sich wieder beruhigt?« Montalbano konnte sich die Frage nicht verkneifen.
»Ja«, gab der Geometra offen zu. »Ich sorge mich um meinen Sohn. Er ist heute nacht nicht heimgekommen.«
»Kommt das oft vor?«
»Ja, wissen Sie, er...«
»Dann machen Sie sich mal keine Gedanken«, fiel Montalbano ihm ins Wort, er hatte jetzt keine Zeit, sich mit den Problemen Jugendlicher zu beschäftigen. »Ich muß die Unterlagen einsehen, in denen es um die Veräußerung beziehungsweise Enteignung der Grundstücke für den Tunnelbau am Crasto geht. Dafür sind Sie doch zuständig, oder?«
»Ja, schon. Aber wir brauchen die Unterlagen nicht, ich habe alles im Kopf. Sagen Sie mir im einzelnen, was Sie wissen wollen.«
»Ich will etwas über das Land der Rizzitanos wissen.«
»Das habe ich mir schon gedacht«, sagte der Geometra. »Als ich erst von dem Waffenfund und dann von den beiden Mordopfern hörte, dachte ich, das ist doch das Land von den Rizzitanos, und habe mir die Unterlagen angesehen.«
»Und was steht in den Unterlagen?«
»Da muß ich etwas vorausschicken. Durch den Bau der Straße und des Tunnels waren nämlich fünfundvierzig Grundstückseigentümer geschädigt, wenn man so sagen will.«
»Eh, Madonna!«
» Sogar ein handtuchgroßes Grundstück von zweitausend Quadratmetern hat laut letztwilliger Verfügung fünf Eigentümer. Die Mitteilung kann nicht en bloc an die Erben gehen, sie muß jedem einzeln zugestellt werden. Als wir den Präfekturerlaß hatten, boten wir den Eigentümern eine niedrige Summe, da es sich zum größten Teil um landwirtschaftliche Nutzflächen handelte. Im Fall von Calogero Rizzitano, von dem wir nur annahmen, daß er ein Eigentümer war, weil das mit keinem Stück Papier belegt ist, das heißt, es gibt keine Rechtsnachfolge und sein Vater ist ohne Testament verstorben, bei Rizzitano also mußten wir Paragraph 143 der Zivilprozeßordnung anwenden, der die Unauffindbarkeit behandelt. Wie Sie sicher wissen, sieht Paragraph 143 vor...«
»Das interessiert mich nicht. Wann haben Sie diese Mitteilung zugestellt?«
»Vor zehn Jahren.«
»Dann war Calogero Rizzitano vor zehn Jahren also unauffindbar.«
»Danach auch! Denn von den fünfundvierzig Eigentümern legten vierundvierzig wegen der Summe, die wir ihnen geboten hatten, Beschwerde ein. Und kamen damit durch.«
»Und der fünfundvierzigste, derjenige, der keine Beschwerde eingelegt hat, war Calogero Rizzitano.«
»Richtig. Wir haben die Summe, die ihm zusteht, zurückgelegt. Weil er für uns juristisch immer noch am Leben ist. Niemand hat ihn für tot erklären lassen. Wenn er wieder auftaucht, kriegt er das Geld.«
Wenn er wieder auftaucht, hatte der Geometra gesagt, aber alles deutete darauf hin, daß Lillo Rizzitano gar keine Lust hatte, wieder aufzutauchen. Oder daß er vermutlich gar nicht mehr in der Lage war, wieder aufzutauchen. Preside Burgio und auch er selbst hielten es inzwischen für durchaus möglich, daß Lillo, den ein Militärlaster in der Nacht des neunten Juli verletzt aufgenommen und wer weiß wohin gebracht hatte, irgendwie durchgekommen war. Aber sie wußten ja nicht mal, wie schwer er verletzt gewesen war! Er konnte auch während der Fahrt oder im Krankenhaus gestorben
Weitere Kostenlose Bücher