Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta
verstehen geben, was will er uns damit sagen? Will er uns sagen, daß die beiden jungen Menschen schlafen und eines Tages aufwachen oder geweckt werden? Vielleicht erhofft er sich genau das, daß es in Zukunft jemanden gibt, der sie findet, der sie aufweckt. Zufällig habe ich sie gefunden, habe ich sie aufgeweckt. Aber glauben Sie mir, ich wünschte wirklich, ich hätte diese Höhle nie gesehen.«
Er war aufrichtig, und die beiden alten Leute verstanden ihn.
»Ich könnte es dabei bewenden lassen. Meine persönliche Neugierde ist befriedigt. Manche Antworten fehlen mir zwar noch, aber die, die ich habe, würden mir reichen. Ich könnte es also dabei bewenden lassen.«
»Ihnen genügen die Antworten vielleicht«, sagte Signora Angelina, »aber ich will Lisettas Mörder ins Gesicht sehen.«
»Wenn, dann siehst du ihn höchstens auf einem Foto«, spottete der Preside, »weil es inzwischen neunundneunzig zu eins steht, daß der Mörder wegen Erreichen der Altersgrenze tot und begraben ist.«
»Ich überlasse es Ihnen«, sagte Montalbano. »Was soll ich tun? Weitermachen? Es sein lassen? Entscheiden Sie, diese Morde interessieren niemanden mehr, Sie beide sind vielleicht die einzige Verbindung, die die Toten noch mit dieser Welt haben.«
»Ich bin dafür, daß Sie weitermachen«, sagte Signora Burgio sehr gefaßt.
»Ich auch«, stimmte ihr der Preside nach einer Pause zu.
Auf der Höhe von Marinella bog Montalbano nicht ab, um heimzufahren, sondern ließ das Auto praktisch von selbst die Küstenstraße weiterfahren. Es herrschte kaum Verkehr, und nach wenigen Minuten war er am Fuß des Crasto angekommen. Er stieg aus und ging den Weg zum Crasticeddru hinauf. In der Nähe der Waffengrotte setzte er sich ins Gras und zündete sich eine Zigarette an. Während er zusah, wie die Sonne unterging, arbeitete es in seinem Kopf: Er hatte das dunkle Gefühl, daß Lillo noch lebte, aber wie konnte er ihn ausfindig machen? Es begann schon zu dämmern, als er sich auf den Weg zu seinem Wagen machte; da fiel sein Blick auf das große Loch, das sich in dem Berg auftat, den Eingang des unbenutzten Tunnels, der schon ewig mit Brettern und Latten verrammelt war. Direkt neben dem Eingang standen ein Blechverschlag und zwei Pfosten, zwischen denen ein Schild hing. Montalbanos Beine rannten los, noch bevor sein Hirn den Befehl dazu gegeben hatte. Atemlos kam er an, die Seite schmerzte ihn vom Laufen. Auf dem Schild stand: IMPRESA COSTRUZIONI GAETANO NICOLOSI & FIGLIO – PALERMO – VIA LAMARMORA, 33 – BAU EINES TUNNELS FÜR DEN AUTOVERKEHR – BAULEITUNG: ING. COSIMO ZIRRETTA – MITARBEIT: SALVATORE PERRICONE. Es folgten weitere Angaben, die Montalbano nicht interessierten.
Er rannte zum Auto und fuhr auf dem schnellsten Weg nach Vigàta.
Dreiundzwanzig
In der Baufirma Gaetano Nicolosi &. Figlio in Palermo, deren Nummer er sich von der Auskunft hatte geben lassen, ging niemand ans Telefon. Es war zu spät, in den Büros war bestimmt kein Mensch mehr. Montalbano versuchte es immer wieder und gab die Hoffnung langsam auf. Er fluchte vor sich hin und ließ sich dann die Nummer des Ingegnere Cosimo Zirretta geben, von dem er annahm, daß er ebenfalls aus Palermo war. Er hatte recht. »Hier ist Commissario Montalbano aus Vigàta. Wie war das mit der Enteignung?«
»Mit welcher Enteignung?«
»Von den Grundstücken, die vom Bau der Straße und des Tunnels betroffen sind, die Sie bei uns hier gebaut haben.«
»Dafür bin ich leider nicht zuständig. Ich habe nur mit den Bauarbeiten zu tun. Beziehungsweise hatte damit zu tun, bis eine Verfügung alles gestoppt hat.«
»An wen kann ich mich dann wenden?«
»An jemanden von der Firma.«
»Da habe ich bereits angerufen, aber es geht niemand ans Telefon.«
»Dann an den Commendatore Gaetano oder seinen Sohn Arturo. Wenn sie aus dem Ucciardone-Gefängnis wieder draußen sind.«
»Ach ja?«
»Ja. Erpressung und Korruption.«
»Dann habe ich also keine Chance?«
»Auch wenn die Richter gnädig sind, kommen sie frühestens in fünf Jahren raus. Aber Scherz beiseite, Sie könnten es bei Avvocato Di Bartolomeo probieren, dem Justitiar der Firma.«
»Wissen Sie, Commissario, es gehört nicht zu den Aufgaben der Firma, sich mit der Prozedur der Enteignungen zu befassen. Dafür ist die Gemeinde zuständig, in deren Gemarkung die zu enteignenden Grundstücke liegen.«
»Und was haben Sie dann damit zu tun?«
»Das geht Sie nichts an.«
Der Anwalt hängte ein. Di Bartolomeo war wohl
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