Commissario Montalbano 03 - Der Dieb der süssen Dinge
technisch als Treuebruch bezeichnen, aber wenn er von Tanino zu Adelina wechselte, dann war das was ganz anderes, das konnte man sogar als Rückkehr in die Familie nach einem Seitensprungbetrachten. Der Backofen war leer, im Kühlschrank waren ein Dutzend Oliven, drei Sardinen, ein bißchen Thunfisch aus Lampedusa in einem Glas. Das Brot lag eingewickelt auf dem Küchentisch neben einem Zettel, den seine Haushälterin ihm geschrieben hatte.
Doppo che vossia nonni miffa sapìri quanno che tonna, iu priparo epriparo e doppo sonno obbligatta a gittari nilla munnizza lagrazzia di Diu. Non priparo cchiù nenti. Sie sagen mir nie, wann Sie wiederkommen, und ich koche und koche, und dann muß ich diese Gottesgaben in den Müll werfen. Ich koche gar nichts mehr.
Sie weigerte sich, weiterhin eine solche Verschwendung zu betreiben, aber wahrscheinlich war sie vor allem beleidigt, weil er ihr nicht gesagt hatte, wo er hinfuhr (» E va beni ca iu sugnu una cammarera, ma vossia certi voti mi tratta comu una cammarera! Ich weiß schon, daß ich eine Haushälterin bin, aber deswegen müssen Sie mich noch lange nicht so behandeln!«)
Lustlos aß er zwei Oliven mit Brot und trank dazu vom Wein seines Vaters. Er schaltete den Fernseher an, es war Zeit für die Nachrichten bei »Retelibera«. Nicolò Zito beendete gerade seinen Kommentar zur Verhaftung eines Stadtrats aus Fela wegen Unterschlagung öffentlicher Gelder und Erpressung. Dann ging er zu den Tagesnachrichten über. Am Stadtrand von Sommatino, zwischen Caltanissetta und Enna, war die Leiche einer Frau im fortgeschrittenen Zustand der Verwesung gefunden worden.
Montalbano saß plötzlich kerzengerade im Sessel. Die Frau war erwürgt, in einen Sack gesteckt und dann in einen ziemlich tiefen trockenen Brunnen geworfen worden. Neben ihr lag ein kleiner Koffer, anhand dessen das Opfer eindeutig hatte identifiziert werden können: Karima Moussa, vierunddreißig Jahre alt, in Tunis geboren, aber seit einigen Jahren in Vigàta lebend. Auf dem kleinen Bildschirm erschien das Foto von Karima mit Francois, das der Commissario Nicolò gegeben hatte. Erinnerten sich die Zuschauer, daß »Retelibera« über das Verschwinden der Frau berichtet hatte? Von dem Kind, ihrem Sohn, gab es immer noch keine Spur. Nach Aussage von Commissario Diliberto, der in dem Fall ermittelte, könnte der unbekannte Zuhälter der Tunesierin als Mörder in Frage kommen. Auf jeden Fall blieben, wie aus dem Kommissariat zu erfahren war, noch viele Fragen zu klären.
Montalbano wieherte, schaltete den Fernseher aus und grinste. Lohengrin Pera hatte Wort gehalten. Er stand auf, reckte sich, setzte sich wieder hin und schlief plötzlich im Sessel ein. Er schlief wie ein Tier, so gut wie traumlos, wie ein Kartoffelsack.
Am nächsten Morgen telefonierte er vom Büro aus mit dem Questore und lud sich selbst zum Abendessen ein. Dann rief er im Kommissariat von Sommatino an. »Diliberto? Hier ist Montalbano. Ich rufe aus Vigàta an.« »Ciao, Kollege. Was gibt's?«
»Ich rufe wegen dieser Frau an, die ihr in dem Brunnen gefunden habt.«
»Karima Moussa.«
»Ja. Habt ihr sie eindeutig identifiziert?«
»Ohne jeden Zweifel. In dem Koffer war unter anderem eine Scheckkarte der Banca Agricola von Montelusa.«
»Entschuldige, wenn ich dich unterbreche. Aber es könnte schließlich jeder…«
»Laß mich ausreden. Vor drei Jahren hatte die Frau einen Unfall und wurde im Krankenhaus in Montelusa mit zwölf Stichen am linken Arm genäht. Sie stimmen überein. Die Naht ist noch zu sehen, obwohl der Leichnam schon ziemlich verwest ist.«
»Hör zu, Diliberto, ich hatte ein paar Tage frei und bin erst seit heute morgen wieder in Vigàta. Ich bin nicht auf dem laufenden, von dem Leichenfund habe ich in einem lokalen Sender gehört. In dem Bericht hieß es, es sei noch manches fraglich.«
»Aber nicht die Identifizierung. Ich bin sicher, daß die Frau anderswo ermordet und nicht an dem Ort vergraben wurde, den wir durch einen anonymen Hinweis entdeckt haben. Deshalb frage ich mich: Warum wurde die Leiche wieder ausgegraben und woanders hingebracht? Wozu war das nötig?«
»Woher weißt du das so genau?«
»An Karimas Koffer waren Spuren organischen Materials, das von der ersten Stelle stammt. Da lag er auch schon neben der Leiche. Dann hat jemand den Koffer in Zeitungspapier gewickelt und zu dem Brunnen gebracht, in dem er gefunden wurde.«
»Und?«
»Die Zeitung trägt das Datum von vor drei Tagen. Aber die Frau
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