Commissario Montalbano 04 - Die Stimme der Violine
gefunden?«
»Nein, noch nicht.«
»Sein Vater, der arme Kerl, war mindestens schon zehn Mal da und hat gefragt, ob es was Neues gibt. Aber was soll es schon Neues geben? Wenn er zurückkommt, dann geht er doch heim und setzt sich nicht in die Bar.«
»Aber Pasquale Corso …«
»Commissario, mir hat der Vater auch gesagt, dass Maurizio gegen neun Uhr abends hier war. Aber er ist auf der Straße stehen geblieben, direkt hier vor der Bar, ich habe ihn von der Kasse aus genau gesehen. Er wollte schon reinkommen, aber dann hat er es sich anders überlegt, hat sein Handy rausgeholt, eine Nummer gewählt und gesprochen. Nach einer Weile hab ich ihn dann nicht mehr gesehen. Aber er ist am Mittwochabend nicht hier reingekommen, das weiß ich bestimmt. Warum sollte ich Ihnen etwas vormachen?«
»Danke, Gelsomi. Mach's gut.«
»Dottori! Der Dottori Latte hat aus Montelusa angerufen.«
»Lattes, Catare, mit s am Ende.«
»Dottori, ein s mehr oder weniger ist doch egal. Er hat gesagt, dass Sie ihn gleich zurückrufen sollen. Und dann hat noch Guito Serafalle angerufen. Mi lassò il nummaro di Bolonia. Lo scrissi sopra a questo pizzino. Er hat seine Nummer in Bolonia hinterlassen. Ich hab sie auf den Zettel da geschrieben.«
Es war inzwischen Zeit zum Essen, aber ein Telefonat konnte er schon noch erledigen.
»Pronto? Wer ist da?«
»Hier ist Commissario Montalbano. Ich rufe aus Vigàta an. Sind Sie Signor Guido Serravalle?«
»Ja. Commissario, ich habe schon den ganzen Vormittag versucht, Sie zu erreichen. Ich habe im Jolly angerufen, weil ich mit Michela sprechen wollte, und da habe ich erfahren -«
Eine warme, männliche Stimme, die nach Schnulzensänger klang.
»Sind Sie mit ihr verwandt?«
Es hatte sich immer als gute Taktik erwiesen, während einer Ermittlung so zu tun, als wüsste man über die Beziehungen zwischen den verschiedenen Personen, die in den Fall verwickelt waren, nicht Bescheid.
»Nein. Eigentlich -«
»Befreundet?«
»Ja, befreundet.«
»Wie sehr?«
»Entschuldigen Sie, ich verstehe nicht -«
»Wie sehr befreundet?«
Guido Serravalle zögerte mit der Antwort, und Montalbano kam ihm entgegen.
»Intim?«
»Na ja, schon.«
»Also, was gibt es?«
Wieder zögerte er. Die Methoden des Commissario brachten ihn offensichtlich aus dem Konzept.
»Ecco, ich wollte Ihnen sagen - mich Ihnen zur Verfügung stellen. Ich habe in Bologna ein Antiquitätengeschäft, das ich jederzeit zumachen kann. Wenn Sie mich brauchen, nehme ich ein Flugzeug und komme runter. Ich wollte - ich war sehr mit Michela verbunden.«
»Ich verstehe. Wenn ich Sie brauche, lasse ich Sie anrufen.«
Er legte auf. Leute, die unnötigerweise telefonierten, konnte er nicht ausstehen. Was hatte Guido Serravalle ihm schon zu sagen, was er nicht längst wusste?
Zu Fuß machte Montalbano sich auf den Weg zur Trattoria San Calogero, wo es immer frischen Fisch gab. Plötzlich blieb er stehen und fluchte. Er hatte vergessen, dass die Trattoria seit sechs Tagen geschlossen war, weil die Küche modernisiert wurde. Er ging zurück, setzte sich in sein Auto und fuhr Richtung Marinella. Direkt hinter der Brücke sah er das Haus, von dem er jetzt wusste, dass es Anna Tropeano gehörte. Es war stärker als er, er fuhr an den Straßenrand, bremste und stieg aus.
Es war ein hübsches zweistöckiges Haus, sehr gepflegt, mitten in einem Gärtchen. Er trat ans Tor und drückte auf den Knopf der Sprechanlage.
»Chi è?«
»Commissario Montalbano. Störe ich?«
»Nein, kommen Sie herein.«
Das Tor ging auf, und gleichzeitig wurde die Haustür geöffnet. Anna hatte sich umgezogen, ihr Gesicht war wieder rosig.
»Wissen Sie was, Dottor Montalbano? Ich war sicher, dass ich Sie im Lauf des Tages wiedersehen würde.«
Sieben
»Waren Sie gerade beim Mittagessen?«
»Nein, ich mag nichts essen. Und dann so allein … Michela kam fast jeden Tag zu mir zum Essen. Sie hat selten im Hotel zu Mittag gegessen.«
»Darf ich Ihnen einen Vorschlag machen?«
»Kommen Sie doch erst mal rein.«
»Möchten Sie zu mir nach Hause kommen? Es ist ganz nah, am Meer.«
»Aber Ihre Frau … Wenn ich so unangemeldet …«
»Ich lebe allein.«
Anna Tropeano überlegte keine Sekunde.
»Setzen Sie sich schon ins Auto, ich komme gleich.«
Während der Fahrt schwiegen sie. Montalbano war noch immer überrascht, dass er sie eingeladen hatte, und Anna wunderte sich bestimmt über sich selbst, dass sie die Einladung angenommen hatte.
Samstag war der Tag, den die
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